On the road

 

Natürlich kommen wir nicht so früh los wie wir wollen - die kommunikative Autoverleiherin freut sich, dass sie jemand zum Schwätzen gefunden hat, und sie hat mir doch tatsächlich die frisch markierten Wanderwege aus dem Ios-Bulletin herausgeschrieben. Das ist nett, aber heute wird nicht gewandert, sondern gefahren.

 

Das Wetter sieht trocken aus, aber besonders warm ist es nicht: immer noch dieser kühle Wind. Badezeug haben wir trotzdem dabei, denn Ios hat reichlich vielversprechende Strände. Wir wollen so ziemlich alles abklappen was an asphaltierter Straße geboten ist, einschließlich der Mehrfachbucht von Manganari im Süden.

Zuerst aber in den flacheren Norden, zu Homers Grab.

 

Homers Grab ist natürlich eine Erfindung. Mal abgesehen davon, dass die Existenz Homers als eine Person überhaupt nicht bewiesen ist, und noch viel weniger, dass er auf Ios gewesen sein könnte, ist das gefundene Grab im Inselnorden aus hellenistischer Zeit, also Jahrhunderte nach Homer. Aber irgendwie hat der Inselmythos es so gewollt, also tun wir mal so als würden wir es glauben. Und ergötzen uns an der Geschichte, warum Homer hier zu Tode gekommen sein soll: Er fragte die Fischer, ob sie etwas gefangen hätten. Sie antworteten kryptisch "Was wir fingen, ließen wir zurück, was wir nicht fingen, brachten wir heim". Tja, und über der Antwort des Rätsels hat er sich zu Tode gegrübelt... (*wer das nicht auch will: die Lösung steht am Ende des Textes).

 

Wir werfen noch einen Blick auf Gialos, wo gerade die Fähre "Adamantios Korais" einfährt. Sie wird dem Streikaufruf nicht nachkommen und weiter durch die Ägäis kreuzen bis sie am Sonntag dann nach Piräus fährt und dort festgesetzt wird.

Dann rollen wir durch die Ebene von Kambos, ehe sich die Straße nach Norden kilometerlang durch unbewohnte und karge Phryganahügel schlängelt. Eine völlig andere Ios-Welt. Natürlich ist das Grab ausgeschildert, und es gibt einen Parkplatz, an dem sogar schon ein Mietauto steht - spanische Touristen. Ein gepflasterter Weg führt, vorbei an steinernen Stelen mit vielsprachigen Sprüchen über Homer, auf einen Hügel mit Sonnendach. Der ist aber mitnichten das Grab, sondern ein hübscher Sitzplatz zum Rasten und Picknicken. Das Grab liegt einen Hügel weiter, und da führt dann auch nur ein breites Monopati entlang einer Steinmauer hin.

Das "Grab" sind die Ruinen eines kleinen Gebäudes mit betoniertem Boden und einer definitiv nicht-antiken Marmortafel zu Ehren Homers drin. Ähm, was da nun alt ist, und was neu: keine Ahnung.

Das Beste hier sind sowieso die Ruhe und der Blick hinüber nach Naxos und Iraklia.

Also wieder zurück durch die einsame Pampa bis zur Hauptstraße bei Pano Kambos, wo wir nach links in den Inselsüden abbiegen. Die Straße führt zwischen Vouni und Profitis Ilias in die Höhe, und dann zweigt es links auch schon nach Agia Theodoti ab. Das ist kein Ort, sondern eine lange Strandbucht mit ein paar Häusern und einer Café-Bar mit Pool, die im Sommer geöffnet haben mag. Und mit der ältesten Kirche der Insel, die ein Stück oberhalb der Straße über der Bucht thront.

 

Wir gehen aber erst zum Strand, der bestimmt fünfhundert Meter lang ist und aus einer Mischung von Sand und gelbem Kies besteht. Durchsetzt mit wunderschönen kleinen Kiesel. Womit die Beschäftigung für die nächste halbe Stunde auch geklärt wäre. :-)

Baden könnte man natürlich auch, der Strand ist schön sauber. Die Luft allerdings eher kühl, und außerdem haben wir heute ja noch ein paar Strände vor uns. Außer uns ist übrigens niemand da, nur an der Bar ("Oasis"?) im Hinterland wird hörbar geschraubt.

Natürlich machen wir auf dem Weg zurück nach oben auch einen Abstecher zur Theodoti-Kirche.

Eine einzigartige (und natürlich abgeschlossene) Kirche mit ihren beiden unterschiedlich großen Kuppeln. Gibt doch einfach schöne Kirchen auf dieser Insel!

Das Panigiri hier findet um den 8. September statt, und da kommt ein Haufen Leute, denen man solide Betontische und -bänke anbietet: fast der ganze Kirchenvorplatz ist damit zugebaut, nur ein großer runder Tanzplatz ist ausgespart. Man hat von der hoch gelegenen Terrasse einen schöne Blick auf das weite Tal. Vor der Kirche soll hier ein antiker Tempel gestanden sein, und irgendwo gibt es laut Terrain-Karte die Reste eines Aquäduktes. Na, die sind jetzt wohl zugewachsen, wobei ich mich auch frage, wo hier das Wasser hergekommen sein soll.

Wieder hinauf auf die Hauptstraße fahren wir weiter entlang des Profitis Ilias, vereinzelt biegen ausgefahrene und erodierte Pisten von der Straße ab. Ziegen kauern im Schatten des Straßengrabens. Aber die Straße ist breit und in sehr gutem Zustand. Wir biegen schon nach vier Kilometern erneut links ab, Richtung Psathi. Dort ist vielleicht (hoffentlich!) eine Taverne geöffnet, und vorher kann man per pedes einen Abstecher zu den Ruinen von Pale(o)kastro machen.

In einer Spitzkehre steht ein entsprechendes Hinweisschild, dort parken wir und ziehen die Wanderstiefel an. Die braucht man auf dem wunderbar gepflasterten Fußweg nicht wirklich, aber nach unserer Erfahrung wird der Weg ja spätestens dann schlechter, wenn er außer Sichtweite der Straße ist. Ausnahmsweise ist das hier nicht der Fall: nagelneue Steinstufen und -platten in Beton führen in zehn Minuten entlang des Hanges sanft aufwärts bis zur auf knapp 300 Metern hoch gelegenen Kapelle Panagia Paleokastritissa . Sie liegt inmitten der Mauerruinen eines früheren venezianischen Kastells - Reste eines Turmes sind zu erkennen.

Nichts Spektakuläres, aber ein schöner Ort und mit einem der schönstgelegensten externen Toilettenhäuschen, die ich kenne. Der Sitzplatz unter dem schattenspendenden Baum ist auch frisch betoniert, das Handwerkszeug liegt noch herum. Eine Etage tiefer steht das Küchenhaus, außerdem gibt es ein großes Regenauffangbecken. Mit der Panoramaaussicht ein wunderbarer Rastplatz, und Hunger haben wir inzwischen auch - es ist schon zwei Uhr vorbei. Nur wollen wir ja in eine Taverne, also gibt es jetzt nur ein, zwei trockene Kekse und etwas Wasser.

Muss ich noch erwähnen, dass die Kapelle abgeschlossen ist?

Aber bis Psathi ist es nur noch ein Katzensprung. Und die Taverne "Alonistra" am Ortseingang (na, ja, Ort ist etwas übertrieben) sieht tatsächlich geöffnet aus. Da wird der Strandbesuch zum Kurzbesuch: kleiner und felsiger als in Agia Theodoti, und windiger. Soll ja auch ein Surfspot sein. Und der Himmel hat sich stärker eingewölkt. Sollte ich es noch bereuen, nicht am Theodoti-Strand gebadet zu haben?

 

So, nun rauf zur Taverne. Auf deren Terrasse ist es luftig, aber im Schutz einer Mauer mit Aussichtsfenstern sitzt es sich gut. Die Tagesessen klingen verlockend, aber wir belassen es bei einem griechischen Salat. Mit Kapern, schmeckt wunderbar mit dem frischen Brot und dem Weißwein. Eine Ziegenherde wird bimmelnd vorbeigetrieben, eine griechische Familie genießt ebenfalls die gute Küche, ein paar Stammgäste sitzen auf der anderen Hausseite am Eingang. Als Zugabe des Hauses gibt es noch löffelsüß eingelegten Kürbis mit Joghurt. Ja, da könnte man verweilen....

Aber nicht zu lange, wir haben ja noch ein Stück Weg!

Wieder aufwärts zur Hauptstraße. Hat man den Profitis Ilias passiert, blickt man nach Westen auf die Bucht von Milopotas hinab. Luftlinie sind die Entfernungen nicht groß, aber die asphaltierte Straße schlägt weite Bogen um den Profitis Ilias. Eine Piste würde abkürzen (nichts für Fiat Pandas), und wir wollen ja nach Manganari.

 

Der Süden von Ios ist einsam und felsig. Wir fühlen uns an den Süden von Skyros erinnert. Die düsteren Wolkenstimmung unterstützt das Gefühl, alleine am Ende der Welt zu sein.

In einer Spitzkehre dann der Hinweis auf das Kloster des Agios Ioannis von Kalamos, das ein paar hundert Meter abseits der Hauptstraße liegt. Natürlich gibt es eine Zufahrt, und wir fahren hin, vielleicht gibt es ja doch Leben im Inselsüden.

 

Eine gepflegte Klosteranlage empfängt uns, das Tor ist zu, aber nicht abgeschlossen. Außer einer Katze ist keine Seele hier. Es gibt verwinkelte Plätze mit Betontischen und -bänken, wie wir sie nun schon kennen. Die Ìoten (?) scheinen ziemliche Feierbiester zu sein. Zahlreiche Gebäude und Bäume dazwischen, und eine kleine Kirche, die natürlich abgeschlossen ist. Mönche oder Nonnen leben keine mehr hier.

Trotz oder gerade wegen der Verlassenheit fühlen wir uns als Eindringlinge und irgendwie unwohl. Ob es hier spukt? Nein, natürlich nicht: ist ja heilig hier.

Ein Olivenhain umgibt das Kloster, und eine Piste führt nach Osten zu einsamen Strände. Na, einsam ist hier ja alles, da wird bestimmt auch Manganari nicht überlaufen sein, das (oder den) wir nach weiteren sechs einsamen Straßenkilometern durch bizarre Felsenlandschaft erreichen.

 

Wir stellen das Auto ziemlich weit oben ab, wo die Straße schlecht wird und sich verzweigt. Im Sommer hält hier der Bus. Von hier aus gehen wir schnurgerade fünfhundert Meter hinab zum Strand, vorbei an noch unbewohnten Feriendomizilen und einer geschlossenen Taverne. Ein Dutzend Palmen reckt sich rechts der Straße in die Höhe wie Cheerleeder mit ihren Wedeln.

 

Ein Paar kommt uns entgegen, sonst ist hier niemand. Wir haben die Wahl zwischen drei Buchtabschnitten und wählen den mittleren, halbrunden, der von vorgelagerten Felsen zum Meer hin abgetrennt wird. An der linken, größeren Bucht ist eine Taverne, dort ist jemand am Werkeln. Und hinter der flachen Felsenzunge am rechten Strand sind machen sich Kite-Surfer flugfertig. Alle weit weg, aber trotzdem genug Leute, um auf den Bikini nicht zu verzichten. Richtiges Badewetter ist leider nicht mehr, Wolken und Wind wechseln mit der Sonne ab. Egal, jetzt wird gebadet.

Es geht sehr flach hinein ins Meer,. In der Mitte der Bucht hat es Felsen auf dem Grund, da muss man aufpassen und weit hinaus bevor man endlich richtig Schwimmen kann ohne sich die Knie aufzuschlagen. Das Meer bringt es aber immerhin auf 19°C. Herrlich wenn man mal drin ist, und ich bleibe lange drin.

Danach lasse ich mich von der Sonne trocknen, suche nach Muscheln und Naxos-Augen, natürlich erfolglos.

Im Süden grüßen die weißen Häuser vom Calderarand von Santorin. Ist gar nicht so weit weg. Ein Segelboot fährt in die Bucht rechts von uns ein, kein schlechter Ankerplatz. Vielleicht ist dort sogar eine Taverne offen, man sieht nicht gut hinüber. Ein Kite-Surfer unternimmt mäßig erfolgreiche Startversuche

 

Mit der sinkenden Sonne wird es frischer, es ist auch schon sechs Uhr vorbei. Zeit für die Rückfahrt. Netter Platz hier, aber als Standort wäre mir das definitiv zu abgelegen. Ich bin ja auch keine Strandliegerin.

Durch die felseren Einöde fahren wir zurück Richtung Norden, unterbrochen durch ein, zwei Fotostopps als man die Chora schön liegen sieht, und bei der hübschen Doppelkapelle an der Abzweigung nach Agia Theodoti. Dann kringeln wir uns wieder in weiten Kurven hinab Richtung der Ebene von Kambos, an deren Rand die Straße nach Chora führt.

Für einen Abstecher nach Koumbara ist es schon zu spät, und da können wir auch zu Fuß hin. Für heute ist der Strandbedarf sowieso gedeckt.

Das Auto muss ich erst morgen Vormittag zurückgeben, und so nutzen wir die Fahrgelegenheit etwas später um unten in Gialos zu essen. Es ist nicht warm genug um draußen zu sitzen, und so gehen wir ins "Enigma", das einen geräumigen Gastraum hat. An den Tischen sitzen irgendwie immer die gleichen Leute: das skandinavische Paar gegenüber war gestern im "Katogi", und die Spanier bei "Souzana" und heute an Homer's Grab. Alles noch schön übersichtlich. :-)

Das Tagesessen, Lamm mit Kartoffeln im Tontopf schmeckt sehr gut, und auch die Spaghetti Bolognese kommen gut an. Die Preise sind etwas höher, 28 Euro werden für die beiden Hauptspeisen zuzüglich Wasser und Wein fällig.

 

Morgen soll dann endlich auch mal wieder die Wanderlust ausgelebt werden.


* Läuse