Nach Olymbos und me ta podia nach Diafani

Unseren ursprünglich bis zum morgigen Sonntag geplanten Aufenthalt in Diafani haben wir um eine Nacht verlängert und wollen nun erst am Montag hinauf nach Olymbos ziehen. Kein Problem im „Dorana“.

Trotzdem möchten wir heute in das Dorf auf der Höhe – nach einem Quartier gucken, und dann herab wandern. Minas bringt uns mit seinem Auto hinauf – er fährt völlig ungriechisch sehr langsam. Eine gute Bewerbungsfahrt für den Transfer zum Flughafen - wird dann nur etwas länger dauern.

 

Um halb elf sind wir oben. Unter teilbewölktem Himmel präsentiert sich Olymbos optisch von seiner Schokoladenseite. Aber Besucher hat es nicht viele. Heute und morgen wird kein Ausflugsschiff von der südlichen Insel kommen – da bleibt so mancher Laden in Olymbos gleich geschlossen. Mir scheint, die lange ersehnte und nun endlich fertiggestellte Asphaltstraße nach Spoa und dem Inselsüden bringt noch nicht der erträumten Touristenansturm. Sollte ich deshalb traurig sein?

 

So konzentriert sich die geballte Aufmerksamkeit der Verkäuferin in Tracht in dem Laden an der Biegung auf uns. Es gibt das obligatorische Olymbos-Sammelsurium – Kräuter, Textilien, Keramik, Seife. Ich unterhalte mich mit der Frau während ihr Sohn etwas an die Mutter verkauft. Da schaufelt sie mir schnell aus einem großen Sack eine Tüte voll Oregano heraus als Geschenk – ich soll sie aber schnell einpacken damit es niemand sieht. Mhh, wer darf es denn nicht sehen? Der Sohn? Klar, schnell in die Tasche damit. Danke.

 

Nicht alle Verkäuferinnen sind so geschäftstüchtig-aufdringlich. Die nette Frau vom nächsten Laden erkennt die Mütter wieder und freut sich – sie waren damals beim Mnimosino für ihre Mutter. Unsere damalige Vermieterin Rigo erkennt uns nicht wieder – das macht uns gar nichts, denn für vier Personen ist ihr Haus definitiv zu klein. War es schon für drei Personen (für zwei ist es aber wirklich gut). Im nächsten Laden bekommt die Cousine die gewünschten Tamata für den „Hausaltar“ an ihrer Arbeitsstätte. Auch hier trägt die Besitzerin natürlich Tracht, sie ist gut drauf und scherzt mit uns. Jede bekommt ein einfaches Lederarmband, und wir sollten unbedingt in den Laden von ihrem Sohn weiter vorne gehen, das sei der Schuhmacher. Ja, das wollen wir sowieso. Schließlich gab die Ausstrahlung der Fernsehserie „Griechenland von Insel zu Insel, Teil 2 – Dodekanes“ im letzten August für mich den Ausschlag für die Reise nach Karpathos – der Beitrag über den netten Schuhmacher Jannis Prearis war einfach unwiderstehlich.

 

Man übersieht ihn leicht in dem Laden rechts kurz vor der Platia. Aber er ist da, und arbeitet an einem Stiefel. 350 Euro werden inzwischen für ein Paar der traditionellen Stiefel fällig (lebenslange Garantie inklusive – man muss dann halt nach Karpathos kommen), man kann verschiedenfarbiges Rindsleder für die Basis auswählen, für den Schaft wird ungefärbtes Ziegenleder verwendet. Ich darf ein Paar in meiner Größe anprobieren. Na, bequem ist anders, und das bei meinen empfindlichen Füßen, die schon bei der kleinsten Reibung Blasen werfen. Und würde ich sie auch wirklich tragen? Im deutschen Winter? Müsste ja nicht in auffälligem Rot sein, Braun wäre besser. Ich werde noch etwas darüber nachdenken.

Ein paar Tage später treffen wir ein deutsches Paar. Sie meint, sie würde seit 15 Jahren über den Stiefelkauf nachdenken. Jetzt wäre sie aber zu alt dafür. Soll ich es auch soweit kommen lassen?

 

Letztendlich werde ich keine Stiefel bestellen. Was mir jetzt, wo ich das schreibe, schon wieder leid tut. :-(

Nächstes Mal dann doch!

Vorher haben wir uns in der Taverne „Olymbos“ ein Zimmer angesehen. Sehr einfach und klein. Sehr. Und dunkel - die einzige Öffnung nach draußen ist die Türe. Da hoffen wir doch auf „Anemos“ oder „Aphrodite“. („Small, small“ sagte Rigo damals darüber). Das neue „Archipelagos“ hinter den Windmühlen ist uns zu chic und teuer. Und zu abseits.

 

Natürlich sehen wir uns auch die Hauptkirche Kimisi tis Theotokou an der Platia an, die aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist und unter deren Hauptikone zahlreiche Tamata hängen. Deshalb kann man diese auch hier in vielen Läden kaufen. Im hinteren Raum fallen die naiv-kitschigen Wandteppiche auf – "Schlafzimmerbilder" würde man das anderswo nennen.

Das Nachbarhaus mit zahlreichen naiven Reliefs neueren Datums wird gerade renoviert und ist deshalb eingerüstet. Alles von dem Künstler Vasilis Hatzivasilis geschaffen und bemalt. Man hat hier gerne bunt und etwas simpel.

In der Taverne „Parthenon“ an der Platia sitzt Theo. Heh, lange nicht gesehen! Das „Parthenon“ ist sein Stammlokal in Olymbos, trotz der nervigen Schwiegermutter. Die hatte uns schon vor zwölf Jahren mit ihrer Penetranz in die Flucht geschlagen – „Deutschland gutt - ich viele Jahre Minchen“. Tja, nur dass ihr Schwiegersohn Nikos das „Aphrodite“ betreibt. Ich hoffe ja noch auf das schönere „Anemos“ daneben.

 

Aber da haben wir Pech. Das „Anemos“ ist belegt, oder geschlossen, und ob ein Studio für vier Personen ausreicht wage ich zu bezweifeln (tut es nicht – auch wenn das obere Zimmer vier Matratzen hat – da sitzt man sich sehr auf der Pelle, wie ich ein paar Tage später sehen werden als es offen ist). Vor dem „Aphrodite“ bringt Nikos gerade Gepäck mit seiner faszinierenden motorgetriebenen dreirädrigen Gepäckkarre an (von der Straße unterhalb der Windmühlen, nicht durch den Ort). Nein, er hat kein Zimmer frei. Ab Montag? Doch, das ginge. Ob wir die Zimmer mal sehen wollten. Klar. Das „Aphrodite“ liegt direkt auf dem Sattel, mit den Balkonen zur Steilküste. Luftiger geht es kaum, aber die Aussicht ist überwältigend. Auf den schnellen Blick sind die Zimmer ok. Nicht gerade neu, aber geräumig genug. Das sie kosten? Was wir denn in Diafani bezahlen würden? Zwanzig Euro fürs Doppelzimmer. Oh, das wäre zu billig. Ob dreißig in Ordnung wäre? Dreißig sind in Ordnung. Wir schlagen ein und bekommen später ein Kärtchen von Nikos – wir sollen ihn anrufen wenn wir am Montag vorne am Parkplatz ankommen, er hole dann das Gepäck ab.

So versorgt gehen wir zurück ins „Parthenon“. Theo ist weg – ein Bummel durch den Ort. Wir steigen auf die Dachterrasse, wollen eine Kleinigkeit essen. Falls Theo kommt, sie soll ihm sagen, dass wir oben sind. Er erscheint wenig später, zusammen mit Jörg, der zu Fuß via Agios Konstantinos (östlich von Olymbos) heraufgekommen ist. Hier im Norden kann man wirklich kaum verloren gehen.

 

Wir essen Salat und Artischocken, und Nikos bringt Theo auf den neuesten Stand bezüglich der Fotobuchpläne. Wir dürfen auch mal in dem Foto-Musterbuch blättern – wirklich interessant! Da sollten sich doch viertausend Euro für tausend Exemplare aufbringen lassen. Die Schwiegermutter (auch eine der zahllosen Kalliopi-Pópis) bringt uns dann noch einen Teller Loukoumades. Mhhhh… Und drückt beim Abschied jedem ein Stück in Zellophan verpackte Seife in die Hand – wir sollen es schnell wegpacken damit es niemand sieht. Irgendwie sind sie ja schon etwas paranoid hier…. Jörg hatte auf den ersten Blick gedacht, es handele sich um Käse, und sich über den Proviant gefreut wenn er morgen nach Kreta weiterreist. Nein, besser nicht reinbeißen, Jörg. Das gibt Schaum vor dem Mund.

Für heute reicht uns Olymbos, und so wollen wir nun hinab wandern zum Hafen. Jörg will noch im Minimarkt am Parkplatz einkaufen weil ihm das Angebot in Diafani zu klein und zu teuer ist (er muss ja seinen Bargeldbestand schonen). Leider landet er nur im kleineren Laden beim „Posto“ – andere kann ich mir seine spätere Aussage, der Laden wäre auch nicht größer als der in Diafani, nicht erklären. Denn der Laden am Parkplatz ist definitiv viel besser sortiert.

Dann will er nachkommen – mit seinen langen Beinen würde er uns schon einholen (nein, tut er nicht – irgendwo hat er sich verlaufen). Die Tante wird sich eine Mitfahrgelegenheit hinab nach Diafani suchen – sechs Kilometer zu Fuß sind zu weit für sie.

 

Zu viert geht es bei den Windmühlen und dem Lokal „Mylos“ vorbei - dort wird gerade frischgebackenes Brot aus dem Ofen geholt - hinab ins oleanderblühende Tal. Und auf der anderen Talseite wieder aufwärts. Nicht vergessen, sich ab und zu umzudrehen und hinüber nach Olymbos zu gucken, das von hier aus oben auf dem Sattel thront, überragt vom hiesigen Profitis Ilias. Auch noch ein Ziel.

Nach ein paar Minuten zweigt der Weg nach Diafani rechts ab und führt auf die Straße, der man einige Kehren lang folgen muss. Es hat nicht viel Verkehr, aber die Tante hat offensichtlich eine Mitfahrgelegenheit gefunden und passiert uns in einem Pick-Up.

Die Straße überwindet den höchsten Punkt bei der Abzweigung nach Avlona. Unweit davon hat jemand einen Picknickplatz eingerichtet: eine schattige gemauerte Bank mit griechischer Flagge verziert, ein balancierendes Tischchen davor – „Welcome to Paradise“ steht groß darüber. Und man soll den Platz gerne genießen, ihn aber auch sauber halten und Zigaretten löschen bevor man weiterwandert. Schon immer waren es die Menschen, die Paradiese zerstört haben.

 

In der nächsten Kehre verlässt der Weg die Straße, schneidet die Serpentinen ab und steigt ins Tal. Der Zugang war vor sechs Jahren mit Schotter verschüttet, nun ist er wieder problemlos zugänglich. Gut! Unten am Talausgang sieht man Diafani schon liegen, aber es ist noch eine Stunde Weg durch die meist schattige Schlucht. Ein schöner Weg – tolle erodierte Felsenstrukturen, wilde Bäume, blühender Oleander. Ein Bachtunnel unterquert die Straße auf halber Strecke. An manchen Stellen hat es große Schautafeln, die die Fauna und Flora der Insel erklären, in Griechisch und Englisch. Jetzt weiß ich auch wie die garstigen Dornen heißen, die jetzt noch grün, im Herbst aber getrocknet und aggressiv die Wandererwaden attackieren: „prickly shrubby burnet“.

 

Das letzte Stück führt dann auf der Piste im breiten trockenen Flussbett. Nach einem Wolkenbruch im Oktober 1994 war hier ein reißender Fluss entstanden, der in Diafani Brücken, Autos, Esel und vieles mehr mitriss und ins Meer spülte. Inzwischen ist das Bachbett stärker kanalisiert und durch hohe Mauern eingefasst, aber natürlich werden die Autos dort geparkt – wird schon nicht wieder passieren. Wenigstens nicht so schnell.

 

Wir gehen gleich durch bis zum Café „Gorgona“ – Frappé, bira (Fix im Mythos-Glas – ist das denn erlaubt?), Elleniko und Tiramisu – eine Erfrischung haben wir uns verdient. Vom Backofen am Anleger zieht Rauch vorbei, dort wird heute am Samstag frisches Brot gebacken.

Später dann der legendäre Abend im „Korali“, an dem einiges gründlich schief ging.

Zunächst verzögert sich die Bestellung weil die Cousine draußen bei der Berufskollegin Ute sitzt und wir nicht wissen was sie essen will. Von der "Wir-bestellen-mal-was-und-jeder-isst-davon-Methode" sind wir inzwischen abgekommen – die Mütter bestehen auf eigenes Essen und eigene Teller. Und bitte kein Fava!

 

Wir haben nur noch einen Tisch drinnen bekommen (draußen drängen sich mehrere Gruppen), wo zwar auch ein Fußballspiel über den großen Flachbildschirm flimmert, aber natürlich nicht das DFB-Pokalfinale zwischen den Bayern und dem BVB. Dank des Wifi-Passwortes und iPhones sind wir trotzdem auf dem Laufenden über die (knappe und unberechtigte) Niederlage des BVB. Schiet!

Da warten wir immer noch auf die gemischte Vorspeise für drei Personen. Nach einer Stunde frage ich vorsichtig in der Küche nach – ja, kommt sofort. Tut sie dann auch (lecker!), und es folgen drei weitere Hauptspeisen – die Tante und Theo gehen leer aus. Upps, war da noch was?

Die Tante bekommt ihre Makarounes zügig nachgeliefert und hat auch noch Appetit (schwäbische Seele - was auf den Tisch kommt wird gegessen).

Theo ist inzwischen richtig sauer und absolut nicht mehr hungrig (er hatte schon die Vorspeise verweigert) - wütend bestellt er in der Küche die Brizoles ab, deren Bestellung dort leider nie angekommen war. Schon nix mehr friss, basta! Und dabei soll er sich doch nicht aufregen. Er tut es aber trotzdem.

Die zurückhaltende und freundliche Popi, die seine Bestellung verbaselt hat, ist am Boden zerstört. Sie kommt später mit einem Teller leckerer Vorspeisen, gekrönt von einem frittiertem Chtapodi – ein Friedensangebot, quasi auf Knien serviert. Ich soll ihr helfen Theo zu überreden, das Angebot anzunehmen. Keine Chance - der ist stur wie ein trotziger Sechsjähriger. Und wir gucken wie die hilflosen Erziehungsberechtigten - ob vielleicht ein paar hinter die Löffel helfen? Nein, ist ja nicht unser Kind. Besser ignorieren und tun als wäre nichts passiert. Trotzdem: hatte Theo nicht immer für das „Korali“ samt der guten Küche von Michali geworben? Und jetzt so eine "un-gastliche" Nummer? Vielleicht die Spätfolgen von Fix aus einem Mythos-Glas... ;-)

Der Abend samt Stimmung ist versaut, so oder so.

 

Als die Mütter gehen und Theo, Barbara und ich noch nach draußen zu den anderen Deutschen (Jörg, Ute und Bernd) sitzen kommt auch kein Kefi mehr auf. Die Unterhaltung quer über den Tisch ist wegen den Hintergrundgeräuschen schwierig. Und der versöhnende Raki vom Haus kommt, wie wir anderntags erfahren, erst spät, als Theo und ich müde und betreten den Rückzug angetreten haben.

 

Schade, sonst war es doch ein netter Tag.

Morgen ist dann unser letzter Diafani-Tag.

 

 

Und wie Theo das Ganze sieht und erklärt kann man hier nachlesen.