Der nächtliche Regen hat den Himmel geputzt und die Sonne hat wieder eine Chance. Unser Fähre, die "Fast Ferries Andros" nach Rafina (€ 27,-) wird erst am Mittag ablegen, 13.45 Uhr. So haben wir am Vormittag noch Zeit für Tinos-Stadt.
Wir bringen das Auto zurück zum Verleiher und gehen dann in die Stadt hinein. Schließlich waren wir noch nicht an der Panagia Evangelistria, und das ist auf Tinos ein Muss. Auch wenn man kein Wallfahrer ist.
Die Devotionaliengasse hinauf beeindrucken uns wieder die Auslagen der Läden: neben profanen Dingen wie Schuhen und leckerem tiniotischen Gebäck, Loukoumia und Chalvadopittes dominiert hier der Pilgerbedarf. Kerzen und Ikonen in allen Größe, Weihrauch in zahlreichen Duftsorten, Wasserfläschchen zum Abfüllen des heiligen Wassers des wundertätigen Quelle der Kirche, aber auch blaue Glasaugen zum Abwehren des bösen Blickes, und natürlich der obligatorische Touristenkitsch. Dass man allerdings auch bündelweise Schlangen aus Holz feilbietet, finden wir eher erstaunlich. Aber Tinos ist ja die Schlangenreiche.
Die Weberei samt Laden im oberen Bereich der Bazargasse gibt es auch immer noch, aber nur ein Mädchen sitzt dort an einem der Webstühle.
Schließlich oben an der Panagia Evangelistria, der beeindruckenden Kirchenanlage. Der große Platz davor ist leer, niemand kommt auf Händen und Knien die Pilgerspur herauf. Die Wallfahrer haben noch nicht Saison. Der Innenhof mit den gepflegten Bäumen und Blumen ist auch leer, und auch die in gleisender Sonne liegende Treppe, wo sich letztes Mal die Pilger stauten, ist leer. So können wir ungestört auch in die Kirche gehen und uns umsehen. Blöderweise sind wir mit unseren Dreiviertelhosen nicht ganz passend gekleidet, aber wir sind in solchen Fällen sowieso lieber zurückhaltend.
Natürlich gehen wir auch noch zur Quelle im unteren Stockwerk. Wir müssen ja noch ein Fläschchen mit "Heilwasser" füllen - für den Hausaltar eines speziellen Tinos-Freundes. :-)
Entlang der Wallfahrtstraße geht es dann wieder Richtung Paralia. Nein, auch jetzt keine Wallfahrer. Und wieder finden wir Tinos ohne Wind anstrengend warm.
Vor dem Fischmarkt versuche ich noch, einen Blick auf den Pelikan zu erhaschen, aber der ist nicht da. Dafür sitzt eine fidele Männerparea im Kafenio gegenüber, die ich nach dem Pelikan fragen möchte. Ich darf sie fotografieren, und der Senior der Gruppe, 82 Jahre alt und früher Taxifahrer, baggert dann meine Mutter an. Wobei er altersbedingte Einschränkungen unterhalb der Gürtellinie einräumt. Aber sonst sei alles bestens, kein Grund zu klagen.
Eine freundliche Runde, und eine nette Begegnung.
Bloß das mit dem Pelikan, das hab ich ob der tiniotischen Charmeoffensive dann doch glatt vergessen.
Am Hafen kommt gerade die "Blue Star Patmos" auf ihrem Weg nach Mykonos an. Ganz schön viele Leute gehen von Bord, es ist ja auch Freitag und Wochenendbeginn. Da ist auf Tinos immer viel los.
Giannis bringt uns dann wenig später von den "Athos Studios" zum Hafen, wo die "Fast Ferries Andros" pünktlich kommt und uns mitnimmt.
Bye-bye Tinos, du steinerne Schönheit....
Vier Stunden Fahrtzeit bis Rafina, mit Halt in Gavrio auf Andros. Auf Deck stinkt es nach Farbe und Öl, der Schornstein strahlt brüllende Wärme aus. Besser ist es im Salon, der ganz gut belegt ist. Nur mit der Aussicht ist Essig, die Fensterplätze belegt, die Fenster verhangen oder verspritzt. Ach, auch egal. Melancholie zum Urlaubsende.
Mit einer Viertelstunde Verspätung laufen wir in Rafina ein. Ich glaube den 18-Uhr-Bus nach Athen schon abgefahren, weiß auch nicht wo er genau fährt. Wir folgen einfach den Leuten, die nach Bus aussehen, und haben Glück: der Bus ist noch da, sogar zwei, und wir bekommen noch einen Sitzplatz für die Fahrt in die Stauhauptstadt (Kosten € 2,60) - Stop-and-go, Dauer über eine Stunde.
Ankunft am der uns völlig unbekannten Endstation Pedion Areos.
Ich haben als Quartier dieses Mal das Hostel "Chameleon" gebucht, die sogenannte "Master Sweet", ein Doppelzimmer mit eigenem Bad und sogar Küche für 50 Euro. Das Hostel liegt nahe der Haltestelle "Thisio", und damals dachte ich noch, das wir von Piräus kommen würden. Tun wir aber nun doch nicht. Deshalb gönnen wir uns ab der Bushaltestelle ein Taxi. Der nette Fahrer spricht kaum Englisch (und das in Athen), aber mit vereinten Kräften findet er beziehungsweise wir das Ziel, und das Ganze kostet lächerliche fünf Euro dreißig.
Unsere "Sweet" liegt im Erdgeschoss des "Chameleon", zu einem kleinen Innenhof. Ein freundlicher Empfang, man setzt vor allem auf spanischsprachige Gäste, so mein Eindruck.
Das Zimmer mit Doppelbett ist klein, die Küche toll wenn wir kochen würden, und das Bad hat sogar eine Wanne. Für Athen uneingeschränkt zu empfehlen, auch wenn das Zimmermädchen die gebrauchten Handtücher vom Vorgänger übersehen hat. Und wir dort wohl eine kleine Kosmetiktasche liegen lassen, die aber nicht gefunden wurde. Bekommen wir zumindest auf unsere Frage per eMail am übernächsten Tag gesagt.
Es ist schon dunkel, als wir uns auf den Weg Richtung Plaka machen. Ich würde gerne eine Runde um den Akropolis-Hügel drehen und in einem der Bakaliara essen. Aber die Mutter ist müde und fußlahm, und Hunger haben wir auch nicht so sehr.
Am Thisio ist noch der Markt der Straßenhändler und der Bär los, dito auf der Adrianou. Wir gehen entlang der römischen Agora und am Turm der Winde vorbei und lassen uns schließlich in das Lokal "Platanos" locken. Nein, nicht hinein, natürlich sitzen wir bei dem milden Wetter draußen an dem kleinen und ruhigen Platz.
Ein Choriatiki (oder schreibt man jetzt Xoriatiki?) und ein Moussaka reichen uns völlig, die Qualität des Essen ist eher durchschnittlich, auf Massenbetrieb ausgerichtet. Mit dem Ambiente passt es heute aber schon.
Hinterher brauchen wir dann unbedingt noch einen Schnaps, den wir im "Lontos Cafe" an der Ecke Apostolou/Iraklidon zu uns nehmen. Ein Karafaki Raki - ein herber kretischer Tsikoudia, aber danach geht es uns besser. Und wir sinken kurz darauf in die Kissen.
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Wir haben ganz gut geschlafen, müssen erst um 11 Uhr das Zimmer räumen. Frühstück gibt es im Hostel nicht, so gehen wir wieder Richtung Thisio und gönnen uns im "Athineon Politia" ein Luxusfrühstück für zwei Personen mit Kaffee, frischem O-Saft, Milch, Omelette mit Tomaten, Käse, Wurst, Oliven, Honig, Marmelade, Yoghurt. Mit 22 Euro kein Sonderangebot, aber an unserem Abreisetag gönnen wir uns das. Soll ja auch eine Weile vorhalten.
Freche Spatzen klauen das Toastbrot vom Nachbartisch und lassen sich dann von uns mit zerdrückten Cornflakes füttern. Das Wetter ist noch schwüler und wärmer geworden. Zeit, Griechenland den Rücken zu kehren.
Zuerst wollen wir aber noch den Keram(e)ikós besichtigen. Das ist der antike Friedhof von Athen, und das Ausgrabungsgelände liegt ganz in der Nähe unseres Hostels. 12 Euro Eintritt zahlen wir zu zweit, acht Euro ich regulär, die Mutter reduziert (über 65 Jahre) vier Euro. Die Preise für viele Museen und Ausgrabungsstätten wurden zum 1. April 2016 deutlich erhöht, vor allem die Akropolis schlägt jetzt mit heftigen zwanzig Euro zu Buche. Bisher betrug der Eintritt zehn Euro, und da waren Keramikos, Agora etc. mit drin. Ein Ticket, das diese nun mit umfasst, kostet sogar dreißig Euro (hat aber auch fünf Tage Gültigkeit). Schon ein Happen. Na, die Touristen wird es nicht arm machen. Und natürlich wird das Geld auch dort ankommen, wo es benötigt wird, zum Erhalt und der Pflege der Stätten und Museen. Oder?
Das Ausgrabungsgelände, zu dem auch ein Museum gehört, überrascht uns mit seiner Gepflegtheit und den herumkriechenden Landschildkröten. Ein beim Eingang erhaltenes Faltblatt mit Lageplan erklärt uns (auf Griechisch und Englisch) die Besonderheiten.
Der antike Friedhof befand sich damals außerhalb der Stadtmauern, und schon ab dem 12. Jahrhundert vor Christus wurden hier Menschen bestattet. Entlang der "heiligen Straße", die das Gelände von Nordwest nach Südost durchzieht, gibt es einige prächtige Grabmäler mit Skulpturen und Reliefs. Was man hier sieht, sind allerdings Kopien, die Originale befinden sich hier im Museum.
Besonders schön ist eine Stierstatue auf dem Grab des Dionysios von Kollitos, oder der Reiter auf dem Grab des Dexileos (394 vor Christus verstorben), weniger dynamisch ist eine andere Statue mit einem liegenden Hund. Oder ist es ein Löwe?
Das kleine Museum ist auch sehr interessant, hier beeindrucken vor allem die wunderschöne archaische Löwenskulpturen und die Sphingen, aber auch die Reliefs mit Reitern. Und natürlich jede Menge Vasen, Schalen und liebevoll gestaltete Tonfiguren.
Auch wenn es in Athen mit Sicherheit wichtigere Museen und Ausgrabungen gibt: der angenehm überschaubare Keramikos samt Museum ist einen Besuch wert.
Tja, und dann wird es Zeit für uns, Abschied zu nehmen. Abschied von Athen und von Griechenland.
Wir holen unser Gepäck im "Chameleon" und fahren mit der Metro hinaus zum Flughafen.
Wo wir zum Abschied die Desorganisation von Eurowings erleben - eine lange Schlange vor dem Check-in-Schalter (wir hatten schon online eingecheckt, müssen nur das Gepäck abgeben), die sich nur langsamst abbaut, da ein erwachsener Reisender in Begleitung mehrere Jugendlicher offenbar ein unlösbares Problem mit dem aufzugebenden Gepäck hat und den Betrieb endlos aufhält: Die aufgerollten Isomatten an den Rucksäcken werden nicht akzeptiert, die ganzen Rucksäcke müssen schließlich kostspielig in Folie eingewickelt und erneut vorgeführt werden, was wieder zu Diskussionen führt.
Als wir endlich unsere Trolleys loswerden, ist es nur noch eine gute Stunde bis zum Abflug. Und wir bekommen am Schalter auch noch gesagt, dass wir an einem Außengate (A36) abfliegen und dorthin zwanzig Minuten brauchen. Da wäre dann schon die aufgedruckte Boarding-Time erreicht.
Über endlose Laufbänder eilen wir im Laufschritt zum Außengate, sicher, dass ob der lahmen Abfertigung am Check-In und des langen Weges der halbe Flieger den Flug verpassen wird. Aber mitnichten - der Flug wird sowieso mit einer halben Stunde Verspätung starten, was mir Eurowings per eMail 23 Minuten nach dem geplanten Startzeitpunkt und drei Minuten vor dem neuen Startzeitpunkt mitteilt. Na, da hatte ich es tatsächlich schon selbst gemerkt....
Der Flug führt dann nördlich des Golfes von Korinth nach Westen, es gibt Ausblicke nach Lefkada, Paxos, Korfu und die Diapontischen Inseln ehe wir im Wolkendunst der Adriaversinken und erst an der nördlichen Adria wieder Aussicht mit Blick auf die Lagune von Venedig haben.
Mit zwanzig Minuten Verspätung kommen wir wohlbehalten in Stuttgart an.
Es war ein sehr schöner Kykladenurlaub. Und ob es nun wirklich der letzte griechische Inselhopping-Trip für die Mutter war?
Tha doume.
Ich komme auf alle Fälle wieder.