Perachori - Paleochora - Nymphenhöhle

Die Wolken hängen tief am Freitag, das Wetter ist schwül mit Südwind. Mögen wir beide nicht so gerne, es macht müde und erschwert das Wandern.

Das Frühstück auf dem Balkon setzt die Urlaubstradition der Panoramafrühstücke fort. In der Nacht habe ich mal eine Fähre gehört, es ist die einzige, die Vathy anläuft: die Nisos Kefalonia auf dem Weg von Kyllini. Frühmorgens kommt sie zurück, in der Vorsaison drei Mal die Woche.

 

Wir sind träge, die Mutter will nicht den Berg hinauf wie es die Wanderung nach Perachori vorsieht. Ich checke Alternativen mit dem Taxi, aber das ist auch alles Käse. Komm, wir sind doch schon halb den Berg hoch, halb so wild. In Ordnung.

Wir wollen die Alternativwanderung zur Route 9 aus dem Michael-Müller-Reiseführer  "Kefalonia und Ithaka" machen, Perachori - Paleochora - Nymphengrotte - Vathy, etwa zehn Kilometer. Von unserem Veronis Apartment werden wir aber nicht die Straße nach Perachori nehmen, die sich ausladend schlängelt, sondern eine Direttissima . Als Wanderkarte habe ich die Ithaki-Karte von Nakas Road Cartography dabei, von 2013, Maßstab 1.25.000. Sie enthält auch einige Wandervorschläge (in Griechisch und Englisch).

 

Gegen dreiviertel elf wandern wir los, folgen unsere Straße nach Süden bis wir bei den "Evtihia Studios" (die hatte ich auch erwogen, waren mir aber zu weit abseits) auf die bergan führende Straße nach Perachori treffen. Autos hat es nur auf der Parallelstraße, so ist es hier angenehm wandern (ich verstehe nicht, warum man im Reiseführer nicht diese Route hier empfiehlt).

Rechts in der Wiese eine kleine Kapelle, aber ohne Weg dorthin. Über uns sehen wir schon die ersten Häuser von Perachori, das früher der größte Ort der Insel war, und heute nur noch 350 Einwohner hat, die vor allem von der Landwirtschaft leben. Häuserruinen im unteren Ortsteil, faszinierend die Bretterbauweise der abblätternden Wände.

 

Wenn wir gedacht hatten, wir wären schon oben, so haben wir uns getäuscht: Perachori erstreckt sich über mehr als hundert Höhenmeter, und auch wenn wir nicht den Weg ins Oberdorf einschlagen, der links ausgeschildet ist - wir müssen hinauf. Das Monopati nach Paleochora und zur Nymphenhöhle ist hier markiert, also weiter auf der rechten Direttissima. Die Mutter stöhnt, und auch mir läuft der Schweiß hinab.

Beim Friedhof mit einer Kirchenruine im oberen Ortsteil zweigt das Monopati dann nach rechts ab. Links lockt ein Schild Richtung Kafenio, ob das offen hat? Ist aber eh noch zu früh zum Essen.

 

Wir machen einen Abstecher zur Kirche Panagia Maroulatiki, die drei Minuten unterhalb des Wanderweges liegt. In einem Garten bellen wild angekettete Jagdhunde. Die Glocke hängt in einem Baum nebenan, die Kirche ist geöffnet und hat einige alte Fresken. Sie gehört schon zu der ehemaligen Inselhauptstadt Paleochora, von der nur noch Ruinen und Kapellen erhalten sind. Entlang des Weges werden wir wenig davon sehen, man muss schon abseits gehen. In den unsicheren Zeiten des Mittelalters hat man weit weg vom Meer gewohnt, die Häuser hatte nur kleine Fenster und dicke Mauern, um sie gut verteidigen zu können Mit den Venezianern wurden die Zeiten sicherer, und die Einwohner zogen nach Perachori und Vathy.

Zurück auf dem Hauptweg - er ist hier gut auszumachen und zu gehen - sehen wir nach wenigen Minuten die nächste Kirche mit ihrem markanten unverputzten und kaminähnlichen Glockenturm. Es ist die Kirche Agios Ioannis, sie war auch von Perachori aus schon zu sehen. Lange war das Gebäude eingestürzt, die Apsis mit den Fresken stand ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. Inzwischen hat man das Gebäude zum Schutz der Fresken wieder erbaut, mit einer einfachen Holzdecke. Auch hier steckt der Schlüssel, wir können uns die steinerne bemalte Ikonostase anschauen. Der Fußboden soll alt sein. Als Kirche fungiert das Gebäude aber wohl nicht mehr, keine Kerzen oder Öllampen.

 

Von der Terrasse vor der Kirche hat man eine wunderbaren Blick auf Perachori und Vathy, der Blick auf den Hafenort wird uns auf dem weiteren Weg begleiten. Die Wolken haben sich inzwischen  aufgelöst. Das große flache Gebäude vorn, oberhalb von Vathy, dürfte wohl ein Wasserspeicher sein. Und nach Norden sehen wir den Berg Niritos (809 Meter), den ich gerne erklimmen möchte. Er wird auf einer Höhe von fünfhundert Meter von einer Panoramastraße gequert - sieht beeindruckend aus! Morgen, oder übermorgen.

Ein Pavillon mit Tisch und Bänken lädt wenig später zum Rasten ein. Dieser Einladung kommen wir gerne nach: wir haben es ja nicht eilig, denn die Tage sind im Mai lange, die Sonne geht erst nach acht Uhr unter. Auch ein Mittagsschlaf ist da noch drin, das Wetter macht müde.

 

Weiter geht es den Hang entlang durch saftig grünes Buschwerk und niedrige Bäume mit einzeln herausragenden Zypressen. Der Weg ist meist gut zu erkennen und gelegentlich markiert, wird aber schmaler. Wir sind jetzt oberhalb unseres Quartieres in Vathy, können es mit dem Fernglas ausmachen. Und sehen auch den Golf von Molos, der zwischen Nord- und Südithaki liegt, mit dem Nirito dahinter. Bei einem terrassenähnlichen Dreschplatz sehen wir vorne zwei Kapellen liegen, und weil ich irgendwie nicht verinnerlicht habe, dass wir hier nach Norden abbiegen müssen, verlaufen wir uns in der Folge auf dem weiteren, allmählich verschwindenden Weg entlang des Hanges bis wir den Irrtum einsehen und zurückgehen (müssen). Die überall gespannten massiven Spinnennetze haben wir schon auf dem Hinweg zerstört, sie machen das Ganze nicht angenehmer, und die Mutter ist sauer. Zu Recht, aber das gehört beim Wandern in Griechenland auch irgendwie dazu. GPS fange ich nicht an.

 

Also links an der Terrasse vorbei, und der Weg ist jetzt auch wieder deutlicher (warum stehen die Wegweiser eigentlich nicht da wo man sie auch braucht?) und führt in wenigen Minuten zu einer hüttenähnlichen Kapelle, wo wir zum ersten Mal heute zwei andere Touristen treffen. Sie sind aber mit dem Auto hergekommen, für den schmalen Weg hinab zur Nymphengrotte und zurück zum Parkplatz haben sie nicht die richtigen Schuhe an und gehen deshalb ängstlich vor uns her.

Die Nymphengrotte also. Hier soll Odysseus bei seiner Rückkehr die Schätze versteckt habe, die er von den Phäaken bekommen hat. Sie hat zwei Eingänge - einen schmalen für die Menschen, einen (zum Himmel) für die Götter. Die Tropfsteinhöhle ist aber leider seit einem Erdbeben im Jahr 2000 geschlossen, da sie einsturzgefährdet ist. Ein vergammelnder Kiosk davor zeugt von besseren Zeit, man kann durch den schmalen Eingang in die Grotte hinein, dort ist der weitere Weg allerdings abgesperrt, eine Metalltreppe rostet vor sich hin und verliert sich im Dunkel der von meiner Taschenlampe nur notdürftig beleuchteten Höhle. Besser wieder raus.

Zurück nach Vathy müssen nun auf einer Straße wandern, und diese mäandert dabei fleißig. Zahlreiche Fotomotive säumen den Weg - von Dreiradruinen über blühenden Wiesen unter schwarzen Olivenstämmen bis zu graffitiverzierten Wellblechhütten. Oberhalb der Dexabucht (hier soll der schlafende Odysseus von den Phäaken abgesetzt worden sein) gibt es einige schöne Ferienhäuser, hier trifft unser Seitenweg auf die Hauptstraße, der wir nun nach Vathy folgen müssen.

 

Es ist wenig Verkehr, aber die Sonne hat den Asphalt aufgeheizt, und wir sind müde. Ich bin froh, dass ich als Standquartier nicht die Forkis Studios am Dexa-Strand ausgewählt habe - lieber kurz und knackig die Treppe hinauf als hier immer wieder auf der Straße gehen.

Die eineinhalb Kilometer vorbei an der Tankstelle bis ins Ortszentrum ziehen sich. Schön der Blick von oben auf die Lazareto-Insel, vernachlässigt wirken die Häuser rechts entlang der Uferstraße am Ortseingang, die keinen Platz für einen Gehweg entlang des Ufers lässt. Rechts könnten wir jetzt hinauf zu unserem Quartier abbiegen, aber wir sind sowieso wieder auf Meereshöhe, also können wir auch noch in einer Taverne einkehren. Gegenüber des Rathauses, bei "Kochili", genießen wir Radler (hier schon als solches zu bestellen!) und griechischen Salat.

Ein beschaulicher Freitagnachmittag, es ist inzwischen halb vier.

Und während die Mutter sich wieder an den Aufstieg zum Quartier macht möchte ich ein paar Postkarten kaufen, was zu einem netten Erlebnis führt. Fast alle Läden halten die nachmittägliche Siesta, aber an der Platia hat ein Souvenirladen geöffnet. Ich versuche, aus der großen Zahl hässlicher und hässlichster Postkarten einige halbwegs versendbare auszuwählen, als mich die Verkäuferin auf Englisch anspricht: "Sorry, but we don't have stamps". Ich entgegen ihr auf Griechisch, dass das nicht so schlimm wäre (ist ja keinen Eilpost, die Karten würden eh Wochen bis Deutschland brauchen), wobei andererseits die Post (hier direkt nebenan) wohl erst am Montag wieder offen hätte. Wir kommen ins Gespräch über das Woher und Wohin, über die Öffnungszeiten der Post in GR und D, meine Vorliebe für griechische Inseln und die Schönheit von Ithaki, und schließlich auch auf die omnipräsente Krise und die deutsche und griechische Regierung. Schnell sind wir uns einig, dass das, was unsere Politiker (D und GR) so alles anstellen und von sich geben, das gute Verhältnis von Deutschen und Griechen nicht wirklich beeinträchtigen kann.

Und als ich schließlich meine vier Postkarten bezahlen möchte, fragt sie "Possa grammatosima thelete?" Sie hat also doch Briefmarken, aber nur Vorzugsgäste bekommen sie. Ich grinse breit, und nehme vier, womit dem späteren Postkartenschreiben nach einem Bad im Pool und dem Einwerfen am Abend im Briefkasten nichts mehr entgegensteht. Schlappe zwanzig Tage später sind die Karten bei den Empfängern.


Am Abend mieten wir uns dann für drei Tage und 75 Euro bei AGS einen gepflegten Fiat Panda. Damit sind wir mobil und können uns in aller Ruhe die Strände und Sehenswürdigkeiten von Ithaki ansehen. Wandern ist bei dem schwülen Wetter mühsamer als gedacht, vor allem für die Mutter, die sich trotzdem tapfer schlägt. Wir lassen den Wagen erst mal stehen und gehen in die Taverne "Kantouni" zum Essen. Für Freitagabend ist auch in den Lokalen vorne an der Paralia wenig los. Das bestellte, langsam gegarte Spezial-Hühnchen erweist sich als ziemlich langweilig, und die Kartoffeln, der Reis und die Dosenerbsen (Dosenerbsen, Theo!) als Beilage können uns zwar den Magen, aber nicht die Augen füllen. In der zweiten Reihe speist man besser.

Immerhin sparen wir uns heute den Treppenweg und können mit dem Auto hochfahren. Die enge Abzweigung nach rechts verpassen wir im Dunkeln beim ersten Mal (erst mal die Scheinwerfer richtig einstellen), und dann parken wir unser Auto auch noch falsch auf dem pensionseigenen Parkplatz. Aber das wird Makis uns erst morgen sagen, und macht auch nichts, weil wir immer noch die einzigen Gäste sind.

 

Ich freu mich auf morgen und den Inselnorden!