Auf's Kastro und nach Agios Ioannis

Der Himmel zeigt sich am Freitag Vormittag bedeckt. Warm ist es trotzdem, aber nicht so drückend wie gestern. Wir wollen heute nach Chorio hinauf, und zur Johanniterfestung. Das geht nur auf der Straße, und die liegt in der vollen Sonne. Auf dem Boulevard Tarpon Springs, auch „Sunset Boulevard“ genannt, vorbei am Pondamos-Strand. Das Meer lockt, aber wir streben nach Höherem, denn ab hier geht es aufwärts. Wir passieren den Kadaver einer Schlange, vermutlich überfahren (obwohl, bei den 5 Autos auf der Insel?). Dann eine Kapelle, neu.

 

Links wächst steil der Fels empor, auf dem die Johanniterfestung steht. Das Tal rechts der Straße ist dagegen erstaunlich grün, Olivenbäume und Pistazien. Die letzten Serpentinen kürze ich ab, der Weg ist sogar markiert. Und endet zwei Meter unterhalb der Straße. Von einigen aufgetürmten Felsbrocken lasse ich mich verführen, zur Straße hinaufzusteigen und muss mich dann durch eine 25 cm breiten Spalte in der Straßenbegrenzung aus Beton durchquetschen. Ächz, aber zurück ist auch blöd, Freiklettern ist nicht so mein Ding. Die Begleiterinnen sind klüger, bleiben auf der Straße. Nur das letzte Stück unterhalb von Chorio lässt sich problemlos abkürzen, vorbei an einer großen Ziege erreiche ich die Platia von Chorio, in einer Serpentine gegenüber eines Friedhofes gelegen, am Fuß des Ruinendorfes.

 

Chorio zieht sich den Hang hinauf, auf recht steilen Terrassen. Ein oder zwei Häuser sind renoviert, drei Männer arbeiten schwer, schieben Schubkarren mit Schutt, klopfen Steine. Dazu Musik, die ich dem Ipiros zuordne, wehmütig mit Klarinette. Weit über dem Ort, quasi als Krone, liegt die Johanniterfestung aus dem 14. Jahrhundert. Auch auf der benachbarten unbewohnten Inseln Alímia sowie bei Kamiros Skala auf Rhodos gibt es solche Festungsruinen. Zunächst gehe ich aber nur bis zur Kirche, die auf halber Höhe zwischen Platia und Festung liegt. Warte auf die Begleiterinnen, würde mir gerne die Kirche von innen ansehen. Aber die ist abgeschlossen, Schlüssel auch keiner zu finden. Ich rufe hinunter zu den Arbeitern, aber die verstehen mich nicht – obwohl ich doch auf Griechisch rufe – seufz. Dafür kommt einer der jungen Männer die Stufen heraufgerannt, barfuß, leichtfüßig, lockig, mit nacktem Oberkörper, fast wie der Hirtengott Pan. Er kann mir aber auch nur den Weg zum Kastro hinauf zeigen, den habe ich schon gefunden. Den Schlüssel bekomme man in Emborio. Ja, er kommt aus Albanien. Was täte Griechenland ohne diese bienenfleißigen und anspruchslosen Arbeiter? Später, wenn wir wieder hintergehen nach Emborio, werden uns die drei Arbeiter überholen, zu dritt auf einem Motorrad. Und am Abend, als ich nochmals vorbeikomme, arbeiten sie wieder, schleppen und klopfen Steine. Wie haben sie sich nur den Ruf als Kriminelle erworben? Sündenböcke für alles Schlechte,  überall in Griechenland.

Vor der Kirche steht wieder eine dieser schönen Zypressen. Zypresseninsel Chalki. Schön, der Blick auf Chorio und in das Tal nach Yiali, das aber im Dunst verschwindet. Ebenso die Berggipfel im Westen, heute hängen überall Wolken. Man sieht noch die Straße nach Agios Ioannis sich am Hang entlangziehen und nach einer Serpentine verschwinden, jenseits des Tales, oberhalb, zwischen kahlen Felsen.

Weiter hinauf zur Burg. Vorbei an der Kapelle Palia Panagia mit schönen Freskenresten und einem runden Altar, aus einem alten Säulenrest gefertigt. Zu betreten ist die Kapelle nur in demütig gebeugter Haltung, so niedrig ist der Eingang. Die Kapelle soll von 890 sein!

Überall huschen Eidechsen und Agamen über den Weg und die Steine. Agamen, das sind die gefleckten Mini-Drachen, eine lässt sich von uns nicht stören, so dass ich sie fotografieren kann.

Über eine Holztreppe erreichen wir schließlich den Eingang zur Johanniterburg Kastro, aus dem 14. Jahrhundert, aber auf den Resten einer dorischen Siedlung gebaut. Es sind aber nur noch Ruinen, am besten erhalten ist die Nordmauer, die nach Chorio hinuntersieht. Die Mauern sind überwuchert von Pflanzen, inmitten der Mauerumrandung erkennen wir die Reste der spätbyzantinischen Kirche Agios Nikolaos, auch hier mit zahlreichen, vom Wetter und Winde angenagten Fresken an den ungeschützten Wänden.

Die Aussicht wäre bestimmt toll von hier, aber nicht heute, es ist zu neblig, kaum können wir den Hafenort Emborio erkennen. Steil fällt die Insel nach Süden zum Meer hin ab, ein Kaiki knattert unten vorbei, verschwindet  im Dunst. Etwas weiter westlich befindet sich die Halbinsel Trachia, gelegentlich durch die Dunstfetzen zu erkennen. Alles Felsen pur, kein Baum, kein Strauch unterbricht die Steinwüsten.

Hinauf haben wir sehr geschwitzt, nun wird es uns kühl hier oben, wir stiegen wieder hinunter. Auf der der Burg gegenüberliegenden Seite gibt es noch zahlreiche Kapellen und auch das Kloster Taxiarchis, wäre einen Besuch wert, aber nicht jetzt. Oder nach Westen hinunter zum Strand von Yiali – auch keine Lust. Ich würde gerne mit dem Bus zum Kloster Agiou Ioannou tou Alárka (= dem entfernten, es gibt auch ein Johanneskloster näher hier an Emborio, to konta) fahren und auf der Straße zurückwandern, dann komme ich an diesen Kapellen und Klöstern vorbei. Leider fährt der Bus nur am späten Nachmittag, und wir sind schon so weit im Osten, dass die Sonne trotz Anfang Juni bereits kurz nach 20 Uhr untergeht.

Auf der Straße wieder hinunter nach Emborio, was mächtig in die Knie und Füße geht. Nein, das Wandern auf diesen Betonpisten macht nicht wirklich Spaß! Der Strand von Pondamos ist auch gut belegt jetzt, wer nicht direkt in der Hafenbucht vor seiner Villa badet, der tut es hier, und von den auf dem Kastro kühlenden, schattengebenden Wolken ist in Emborio nichts zu merken.

Wir genießen die Siesta auf unserer Terrasse.

 

Und ich beschließe, noch heute den Bus nach Agios Ioannis zu nehmen, mit Wanderschuhen und der Option, auf der Straße zurückzuwandern. Die Begleiterinnen verzichten.

 

Kurz nach 17 Uhr bin ich am Hafen, wo der Bus losfährt. Der kommt auch kurz darauf. Ein weißer, neuer und sehr gepflegter Kleinbus mit einem jungen, sympathischen Fahrer. Nur etwa zehn Personen möchten mitfahren, der Bus hat knapp 20 Plätze. 5 Euro kostet die Fahrt in einer Richtung, nicht eben ein Schnäppchen. Man könnte auch mit dem Bus zum Pondamos-Strand fahren, oder nach Ftenagia, für 1,50 Euro – das ist dann aber was für ganz Bequeme. Ich löse das One-Way-Ticket, sage dem Fahrer, dass ich mir überlege, zurückzuwandern. Kein Problem. 17.20 Uhr geht es los. Schwierig die Ortsdurchfahrt durch Emborio, wo Baufahrzeuge der DEI die Passage zeitweise versperren. Bis Chorio kenne ich den Weg, gut die Hälfte der Steigung ist hier bewältigt. Es wird einsamer, kahler, felsiger. Tolle Ausblicke hinüber auf das Kastro, und die Nordküste hinunter. Hinüber nach Tilos, nur hauchzart in Dunstschleier auszumachen. Die Straße geht nun auf gleicher Höhe den Hang entlang, der Weg ist weiter als ich dachte. Kapellen am Weg, aber nicht unser Ziel. Mhh, wird knapp mit dem Wandern bevor die Sonne untergeht, vor allem, wenn ich unterwegs auch noch etwas angucken möchte, nicht nur hinunterrennen.

Dann liegt eine Hochebene vor uns, in Wolken, Stimmung mehr wie im Hochmoor, unwirkliche Beleuchtung. Dieser Teil der Insel hat sein eigenes Wetter. Falken rütteln über uns, viele. Schafe auf der Straße und daneben.  Bienenstöcke, Wacholder, Feigenbäume bilden kleine Inseln in der Ebene.

Vorne ein Anwesen, das muss das Kloster sein. Der Bus hält vor dem Tor, etwa 20 Minuten sind wir gefahren. Eine gute halbe Stunde haben wir nun Zeit hier, bevor der Bus zurückfährt. In dem Kloster gibt es keine Mönche mehr, aber auf dem Anwesen lebt eine Schäferfamilie, die im Kloster nach dem Rechten guckt und jetzt auch Getränke an die Besucher verkauft. Man soll hier auch übernachten können, Zellen sind noch vorhanden.

Die Klosterkirche Agios Ioannis ist alt, der Fahrer erzählt etwas von tausend Jahren, ich finde leider keine bestätigenden Jahreszahlen in, eher das 15. Jahrhundert wird genannt. Dunkel ist es darin, Fresken an den Wänden, alte Ikonen. Schön.

Vor der Kirche eine riesige Zypresse, nicht schlank und hoch, sondern breit und ausladend. Hat bestimmt mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel!

 

Ich werde nun doch nicht zurückwandern, möchte aber noch ein Stück auf der Straße zurück, der Bus wird mich dann auflesen. Misstrauisch werde ich aus zig Schafaugen beobachtet, der Reiseführer schreibt etwas von 6.000 Schafen und Ziegen auf Chalki, die müssen alle hier sein, denn sonst haben ich kaum welche gesehen. Zum Fotografieren ist es leider etwas zu düster. Man müsste sonntags kommen, dann fährt der Bus bereits um 11.30 Uhr zum Kloster und man hätte genug Zeit, zurückzuwandern. Nur geht am Sonntag Abend schon unser Flugzeug ab Rhodos, das wird nicht reichen. 

Ich schaffe es bis zum Ende der Hochebene, wo sich der Blick auf die Küste öffnet. Dann fängt mich der Bus ein. Während der Rückfahrt ärgere ich mich, nicht doch gelaufen zu sein – es ist gar nicht so weit. Und die Ausblicke – atemberaubend! Ich werde wiederkommen, vor allem wegen dieser Wanderung und den Kapellen am Weg.

In Chorio hält der Bus, der Fahrer zeigt den Passagieren ein neues Haus am östlichen Ortsrand – er wohnt hier mit seiner Frau, hat es gebaut. Noch der einzige Dauerbewohner im verlassenen Chorio, aber es werde mehr Leute wieder heraufziehen, nicht umsonst arbeiten die Albaner hier.

 

Gegen 19 Uhr sind wir wieder am Hafen von Emborio. Gerade ist die „Nisos Chalki“ gekommen, etliche Wochenendurlauber verlassen die Fähre, mit Pflanzen und Kartons. Auch unser Nachbarhaus mit dem schönen Rosengarten wird bezogen, ein Ehepaar macht am nächsten Tag großen Frühjahrsputz, gießt verschwenderisch die Rosen und spritzt die Gartenmöbel und Terrasse mit dem Gartenschlauch ab. Obwohl Wasser doch so knapp ist – ich verstehe es nicht.

 

Fleischlastig wird unser Abendessen im „Balantis“, neben dem „Maria“. Vor allem Speisen vom Grill stehen auf der Karte, die Portionen sind reichlich. Wir beschließen, erst am Sonntag nach Rhodos zurückzukehren, offen bleibt noch, ob am Morgen oder erst am Nachmittag.