Fauler Sonntag

Glockenläuten weckt uns, es ist Sonntag. Eigentlich hätte ich gerne den Bootsausflug auf die fünf Inseln gemacht, aber leider bin ich heute etwas angeschlagen. Da werden wir den Tag eben gemütlich im Ort verbringen. Die Nachbarn zur Linken reisen ab, Deutsche, mit denen wir bisher kein Wort gewechselt haben – sie wollen für sich bleiben. Da unsere Vermieter aber nicht auffindbar sind, und sie dort als Stammgäste nicht über den Zimmerpreis verhandelt haben, wollen sie von uns wissen was wir für das Zimmer bezahlen, damit sie das Geld aufs Zimmer legen können. Die Nachbarn zur Rechten (Schweden vermuten wir) werden morgen abreisen – sie wollen noch nach Tilos, wo sie jedes Jahr einige Tage im Oktober verbringen. Vielleicht ist ja dort inzwischen auch wirklich die Nachsaison angebrochen….

 

Gegen 10 Uhr kommt die „Nissos Kalymnos“ auf dem Weg nach Samos via Patmos, Arki und Agathonisi. Ich nutze die Gelegenheit, mir das Be- und Entladen näher anzusehen. Viele Menschen warten am Hafen, darunter zahlreiche Jugendliche und junge Männer in blauen Trainingsanzügen. Da hat der örtliche Fußballverein sicher ein Auswärtsspiel. Vermutlich auf Patmos, denn für Agathonisi oder Pythagorio würde die Aufenthaltszeit mit der Fähre nicht reichen, und ob Arki ein Spielfeld oder eine Mannschaft hat?

 

Von der Fähre wird der Wintervorrat an Toilettenpapier abgeladen und auf den Anleger gestapelt. Da muss man schon mal keine Not befürchten…. Das Tragflügelboot „Erato“ kommt dann auch noch, für eilige Reisende nach Leros, Kalymnos und Kos. Die „Nissos Kalymnos“ legt früher ab, aber der schnelle Dolphin holt sie flugs ein bevor er in der Gegenrichtung abbiegt.

Die „Patmos Star“ kommt dann erst später, als der Anleger wieder frei ist. Eine besonders große Gruppe Griechen mit gleich drei Papades kommt an und geht in den Ort hinein.

Später werden wir sie in der Taverne von Yiannis wiedersehen, wo wir gerade noch einen freien Platz bekommen. Die anderen Tavernen an der Paralia haben mittags geschlossen.

Der griechische Salat, der dort serviert wird, ist riesig, die Tomatenkeftedes schmecken hervorragend. Die Kellner müssen sich durch die volle Taverne drängen, nicht einfach mit gefüllten Tabletts. Die Salatschüsseln sind ausgegangen – es wird improvisiert. Im Gegensatz zu den „Gelagen“, die man bei Griechen sonst häufig sieht (samt den Mengen an Essen, das übrigbleibt), wird hier an den einzelnen Tischen auch gegessen was bestellt wurde. Zeichen der Krise? Oder liegt es daran, dass es sich um keine große Parea handelt, sondern viele kleine? Eine Gruppe Segler findet noch Platz, später Ankommende werden abgewiesen – Erschöpfung beim Personal, da hilft auch die Aussicht auf zusätzlichen Umsatz nicht.

In der Bäckerei Kaïri kaufen wir nochmals von den leckeren Plätzchen, und die Mutter besteht auf einen Schokokuchen für den Nachmittagskaffee – schließlich ist heute Sonntag.

 

Am späteren Nachmittag spazieren wir entlang der Lipsi-Bucht am Kambos-Strand nach Westen bis zu einer kleinen Kirche, laut Restschild anscheinend Christos geweiht (in der Terrain-Karte steht „Metamorfosi Sotiros“, aber ich hab da so meine Zweifel). Ein schöner Ort um die Ruhe des späten Nachmittags zu genießen. Bis ein junger Mann – ein Pakistani? - daher kommt, laut telefonierend. Er geht noch weiter, kehrt dann wieder um, immer noch telefonierend. Wir hören ihn noch lange während wir auf dem Platz vor der Kirche sitzen, und später an dem kleinen Anleger am Kiesstrand, den ein merkwürdiges Sammelsurium von Stühlen ziert. Die Füße im Wasser, der Blick auf die vorgelagerten Felseninseln mit Leros dahinter, zwei Fischerkaikia tuckern vorbei.

Auf dem Rückweg biege ich am Liendou-Strand vor dem Hotel Afrodite ins Inselinnere ab – ich will noch das Quartier suchen, in dem ich vor 16 Jahren gewohnt hatte. Aber ich werde nicht fündig – damals standen oberhalb der Hafenplatia nur wenige Häuser. Heute ist hier ein ganzes Wohnviertel.

Dafür bekomme ich von der Terrasse vor der Kirche aus einen wunderschönen Sonnenuntergang geboten.

Lipsi 1996
Lipsi 1996

Morgen ist der erste Oktober, da werden wir abreisen. Zunächst nach Kalymnos. Eigentlich hatte ich für ein paar Tage nach Pserimos gewollt. Ich weiß aber nicht ob dort abends, wenn das Fährboot weg ist, überhaupt noch eine Taverne geöffnet ist. Außerdem müssten wir dann mindestens ein Mal in Pothia übernachten. Auf die lärmige Großstadt haben wir gerade so wenig Lust wie darauf, mehrmals hintereinander das Quartier zu wechseln. Die Alternative ist, nach Mastichari zu fahren und dort zu bleiben. Ein Trip nach Pserimos sollte sich von dort aus so gut einrichten lassen wie die Erkundigung des uns noch unbekannten Westens von Kos. Und Mastichari scheint uns das kleinste Übel auf Kos – dort hat es immerhin einen kleinen Hafen, es leben auch außerhalb der Saison Leute dort, und die Strände sind auch gut. Eine Nacht vor dem Rückflug werden wir dort eh verbringen müssen.

 

Am Abend essen wir nochmals im „Calypso“. Ich esse Schwertfisch, der gut schmeckt, die Mutter bleibt beim Fischlosen und ist mit ihrem Bifteki wieder nicht so recht glücklich. Vielleicht haben wir heute auch einfach zu viel gegessen. :-)

 

Unsere Fähre, wieder die „Dodekanissos Pride“, nach Kalymnos fährt erst um 14.30 Uhr ab. So können wir den Vormittag am nahen Strand genießen. Heute ist es ruhig dort, der Himmel ist etwas grau, aber es ist immer noch sehr warm. Einheimische Frauen kommen zum Baden, auf den hohen Stufen links vom Strand kann man prima sitzen und sich umziehen. Eine hat noch eine Flasche Wasser dabei, spült sich nach dem Schwimmen das Meerwasser damit ab, gleich eine Katzenwäsche.

Im sandigen Uferbereich gleitet ein kleiner Plattfisch über den Meeresboden, gut getarnt. Wenn das Wasser nicht so klar und seicht wäre, wäre er nicht aufgefallen – nur sein Schatten verrät ihn.

 

Die „Lampi II“, die auf Patmos stationierte Kleinfähre, dreht heute mal wieder ihre Runde über Arki, Marathi und Lipsi. Unter den Yachten ist sie am dortigen Anleger kaum aufgefallen.

Wir essen unserer restlichen Vorräte, packen zusammen, bezahlen das Zimmer. Mangels Wechselgeld gibt es wieder fünf Euro Rabatt. Die Fährtickets hab ich schon am Vortag gekauft, der Schalter ist wirklich nur vor der Abfahrt geöffnet, und mit dem Hafencafé verhält es sich ähnlich. Wieder fahren alle Fähren innerhalb kürzester Zeit ab: zuerst knattert die „Anna Express“ ab, dann kommt und geht die „Patmos Star“.

Unsere „Dodekanissos Pride“ kommt als letzte, da geht nur noch eine Handvoll Leute an Bord.

Pünktlich um halb drei Uhr legen wir in Lipsi ab.

Mit Wehmut blicken wir zurück auf den netten Hafenort, später sehen wir die obere Einsiedelei am Felsen weit über dem Meer.

 

Lipsi hat uns nicht enttäuscht. Gerne komme ich wieder her.

Aber nun geht der Fokus nach vorne. Alleine sitzen wir auf dem Sonnendeck der Schnellfähre, nur zwei Männer vom Personal unterhalten sich seitlich – Raucherpause.

Schnell entschwindet Lipsi hinter uns, Leros kommt näher, das wir nun westlich umfahren. Die Windräder grüßen vom Bergkamm über der Bucht von Gournas. Auf dem Rückweg hält der Katamaran in Lakki (auf dem Hinweg war es in Agia Marina), es wird etwas voller.

Westlich von Kalymnos flitzen wir weiter, umrunden den vorgelagerten Felsenklotz Telendos, von hier aus nur schwer als eigene Insel auszumachen. Sehen dann auf Kalymnos eine einsame Klosteranlage in einer grünen Bauminsel vor einer Felsenwand liegen – das muss Kloster Agia Triada sein. Kalymnos wirkt von fast allen Seiten abweisend – sei es der nackte Fels, sei es das steinerne Häusermeer von Pothia. Na, da müssen wir jetzt durch.

Kurz vor 16 Uhr legt das Schiff in Pothia an.

Dann wollen wir mal schaun ob und wie wir weiterkommen.