Zweimal in die Berge

Es ist dann halb ein, als wir losfahren. Ich habe eine Runde in den Norden vorgeschlagen: Apollonas, Koronos, vielleicht nach Moutsouna hinab, mal sehen. Es geht nach Nordosten, erst entlang der Küste, dann macht die Straße eine Schleife ins Landesinnere über einen Mini-Pass vor Galini. Und da liegen die Berge von Naxos vor uns, links der Koronos (999 m), in der Mitte der Pastellas (846 m) und rechts der Zas (1001 m). Und auf allen liegt Schnee.

Schnee!

Also doch. Gut, es ist nur auf den Höhen, so ab 600, 700 Metern. Aber das ist der Moment, in dem mir klar wird, dass es mit dem Zas auch dieses Mal nichts werden wird.

Blöd.

Andererseits finde ich Schnee auf Naxos natürlich total spannend. Und so beschließe ich eine spontane Routenänderung: wir fahren gleich in die Berge, und erst später nach Apollonas. Und biegen in Engares nach Kinidaros ab.

An Melanes vorbei geht es aufwärts, wir passieren Marmorbrüche und haben eine tolle Aussicht nach Norden auf die Ebene mit grünen Feldern. Aber es ist ordentlich kalt, schnell flüchten wir wieder ins warme Auto und fahren weiter. Um in der nächsten Kurve wieder zu stoppen: die weißen Häuser von Kinidaros vor schneebedeckten Bergen und den weißen Marmorbrüchen. Wow. Tja, auch so können Kykladen aussehen.

 

Kinidaros liegt auf 400 Metern, bei der Kreuzung bei Agia Varvara sind es noch ein paar Meter mehr. Die Landschaft wird weißer. Egal, noch ist die Straße frei. Das ändert sich auf der weiteren Fahrt Richtung Koronos. Es ist zwar nur Schneematsch, der den Asphalt bedeckt, aber wir haben auch nur Sommerreifen. Therese wird nervös, Lothar fährt aber langsam und souverän weiter. Ich finde es genial: Schnee auf Naxos, wer hat das schon? Aber die Mitfahrerinnen hatten irgendwie andere Vorstellungen von Naxos im Januar. Hoffentlich ist in Koronos eine Taverne offen, sonst kriegt die Reiseleitung eine schlechte Note. Es ist schließlich schon halb zwei vorbei, Zeit fürs Mittagessen.

Wir klettern hoch bis zur Passhöhe bei Stavros Keramotis, laut GoogleEarth 660 Meter hoch und mit schönem Weitblick bis nach Amorgos ausgestattet. Der blaue Himmel macht sich jetzt auch gut, aber es ist trotzdem kalt. Finden auch die anderen Sonntagsausflügler, die mit dem Auto hoch in den Schnee gefahren sind. Griechischer Schneetourismus - das musste ich mir vor Jahren auf Kreta erklären lassen. Da fahren die Leute hinauf auf die Hochebenen Omalos, Katharo oder Lassithi, bauen dort Schneemänner - gerne auch en miniature auf die Motorhaube des Autos - und kehren in ein gut geheiztes Lokal ein. Genau das wollen wir auch. Müssen aber oberhalb von Koronos noch einen Fotohalt einlegen, denn das Dorf unter den schneebedeckten Gipfeln ist ein schöner Anblick.

Nun aber hinab, und zwar so weit wie möglich. Lothar nimmt die Serpentinenstraße vor dem Ort hinab ins Tal und parkt als es nicht mehr weitergeht. Der Fußweg ist etwas rutschig, aber Schnee liegt hier keiner.

Im ersten Lokal an der Platia werden wir gleich von einer Frau angesprochen, die uns in ihr Lokal komplimentieren möchte. Mhh, das ist doch gar nicht Matina? Eigentlich wollte ich dorthin (offiziell "I Platsa"). Doch, Matinas Restaurant hat auch offen, wir werden in den Gastraum auf der anderen Seite des Platzes gebeten. Da kämpft ein Heizlüfter vergeblich gegen die Kälte an, und ein Tisch mit Männern heizt mit Zigaretten. Was Barbaras Unmut erregt (dabei raucht sie ja auch, aber nicht im Lokal). Die Männer stehen schließlich auf, und einer entschuldigt sich auf Deutsch wegen der Qualmerei. Upps, das ist nun peinlich, man muss halt auf Naxos immer damit rechnen, dass die Menschen Deutsch verstehen. :-)

 

Uns ist nach Heißem: Tee und Suppe. Matina offeriert Broccoli, Brühe mit Zicklein und Bergtee. Lothar und Therese wollen auch Wein und Juvetsi. Es kommt schließlich eine große Kanne Tee, ein Teller gekochten Broccolis, eine Platte mit gekochtem Ziegenfleisch, eine große Terrine mit Reisbrühe und ein Teller Juvetsi. Bloß der Wein kommt nicht, aber das ist nicht weiter schlimm. Wir schmausen und genießen. Das Zicklein geht wunderbar vom Knochen, Tee und Brühe heizen ein, was der Miniofen nur mühevoll schafft. Ein Kafedaki noch danach. Geht es uns gut!

Wir reißen uns los, wir wollen ja noch eine Schleife über Apollonas drehen. Die Rechnung macht Matina Pi mal Daumen - Tee und Kaffee gingen auf sie, ob sechzig Euro in Ordnung wären? Finden wir dann doch etwas viel, und nach dem Verweis auf den fehlenden Wein wird die Rechnung auf fünfzig Euro reduziert. Das passt.

Nun wäre eigentlich ein Ortsbummel angesagt, wenn schon kein Spaziergang durch die Gärten von Koronos, aber wir sind müde und träge, und schon nach ein paar Stufen durchs Dorf zieht es uns zum Auto zurück. Kurs Apollonas, den Abstecher in Naxos' höchstgelegenstes Dorf Koronida lassen wir aus - dort liegt sicher mehr Schnee, und es ist auch nur noch eineinhalb Stunden hell.

Die Schatten in den Tälern sind schon lange, es ist kaum ein Auto unterwegs. Ist der Norden einsam. In Mesi parkt immerhin ein Esel am Straßenrand.

Und es hat eine tolle Fernsicht, von Tinos über Mykonos bis Ikaria. Mir geht das Herz auf beim griechischen Inselmeer.

Natürlich sehen wir uns den Kouros von Apollonas an, der oberhalb des verlassen wirkenden Dorf nahe der Straße liegt. Eine imponierende Figur, gut zehn Meter lang. Er ist weniger ausgearbeitet als die Kollegen bei Melanes, aber dafür hat er einen Bart. Sollte kein Jüngling werden, sondern ein erwachsener Gott. Ob es nun ein Dionysos oder Apollon, darüber darf spekuliert werden.

 

Es gäbe entlang der Nordwestküste auf der Rückfahrt nach Chora noch einiges anzugucken. Die Ruinen von Kloster Panagia Theoktisti, oder Kloster Faneromeni. Wir sind aber zu spät dran, und so bleibt es bei einem Foto von Pyrgos Agias im Abendlicht.

Bei Engares entzücken uns die Berge mit Alpenglühen. Aus einer großen Taverne an der Straße dringt Musik, hier wird gefeiert. Aber wir sind zu satt, und müde. Gegen halb sechs treffen wir wieder in Chora ein und gönnen uns erst mal eine Pause.

So richtig hungrig sind wir am Abend noch nicht wieder geworden. Spät gehen wir ins "Kozi" zum Essen, steuern wieder den Tisch am Ofen an. Der wärmste Ort auf Naxos in diesem Januar. :-)

 

Mit dem Essen - Zucchinikeftedes, Salat, Skordalja, Tirosalata, Biftekia - sind wir wieder zufrieden, und der Wein schmeckt auch. Wir sind noch unschlüssig, was wir morgen unternehmen sollen. Die Fähre von Therese und Lothar nach Syros geht erst am späteren Nachmittag. Mal sehen, was das Wetter macht.

 

 

Es ist kalt, aber trocken. Könnte sogar etwas Sonne geben, aber vielleicht auch Schnee. Davon hat zumindest die Frau von Fish & Olive erzählt, als Barbara sie angerufen hat. Aprilwetter im Januar. Wir ziehen uns warm an, und fahren trotzdem nach Chalki. Vielleicht die Wanderung nach Moni und zurück? Die Parea hat aber keine Wanderlust.

Unschlüssig stehen wir in Chalki herum, dass immer noch so geschlossen ist wie vor drei Tagen, die Katzen sind das einzige belebende Element. Wir bummeln herum, betrachten den Pyrgos Gratsia der sich in die Verschlossenheit des Ortes einreiht. Klar, ist ja seine Aufgabe.

Gut, dann wenigstens zur Kirche Agios Georgios Diasoritis. Die wird natürlich auch zu sein - nur im Juli und August kann man sie an manchen Tagen besichtigen, wie ein Aushang im Ortszentrum verkündet. Aber ich hab das putzige, gleichwohl unverputzte Gebäude, zwischen Olivenhainen liegend, als sehr hübsch in Erinnerung. Labyrinthisch führt der Weg in einer Viertelstunde dorthin, netterweise gut ausgeschildert. Durch Olivenhaine mit ihre knorrigen Bäumen und dem kleegrünen Boden - einfach schön. Findet auch Lothar. Ja wie, gibt es das auf Syros nicht? Zedratzitronen auf alle Fälle nicht. Schade, dass die Destillerie zu ist, aber wir werden in Chora bei Promponas am Abend Zedratlikör probieren (und kaufen) können.

Jetzt sind wir aber noch an der Georgskirche und fotografieren was die Speicherkarte hergibt.

Und als die Sonne kurz herauskommt, das Ganze von vorne. Das ganze Ensemble wird so in ein märchenhaftes Aussehen getaucht.

Und noch die uralten Olivenbäume, in die man sogar hineinsteigen kann.

Auf dem Rückweg begegnen wir einem Mann, der gerade seine Ziegen mit Olivenzweigen füttert. Erstaunlich, was die Viecher alles verdauen können. Das giftgrüne Gras in ihrem Gehege scheint sie deutlich weniger zu interessieren. Die Oberziege ist besonders cool, mustert uns kauend ohne Scheu.

 

Am Ortseingang, wo wir das Auto geparkt haben, ist dann doch ein Laden offen. Genauer sind es sogar zwei, ein Pantopolio und ein Laden mit einheimischen Spezialitäten. Da gehen wir natürlich rein, Lothar und Therese wollen ja noch ein paar naxiotische Mitbringsel kaufen. Und wir hoffen auf ein Kitronprobiererle. Damit wird es nix (ist ja auch gerade mal Mittag, zu früh für Alkohol), aber andere Kleinigkeiten wechseln den Besitzer.

Und nun? Wir könnten von Agia Marina zum Kloster Fotodotis wandern, aber vielleicht wird das zu knapp. Außerdem zieht die Parea die griechische Art der Fortbewegung vor: mit dem Auto. Und so fahren wir hinauf Richtung Apiranthos. In Filoti fotografiere ich schnell noch die Weihnachtskrippe, die hab ich letztes Mal vergessen. Die hohlen Figuren sind wohl abends beleuchtet, und wie so oft gilt: erlaubt ist, was gefällt. Nicht was schön ist. (Mhh, wieso fallen mir da jetzt meine dekorationssüchtigen Nachbarn ein?). Der geschmückte Weihnachtsbaum daneben ist aber originell, und hat das traditionelle Schiff offenbar verdrängt.

 

Hinter Filoti dann die weite Kurve hinauf zu dem Aussichtspunkt mit dem weiten Blick über die Tragea-Hochebene und das Meer und Paros in der Ferne. Links der zackige Gipfel mit dem weißen Kapellentupfen, Agios Ioannis Kastelitis, da wollte ich auch immer mal hinauf. Es gibt noch viel zu tun hier.

Apiranthos liegt auf immerhin sechshundert Metern Höhe, folglich sind die Gipfel und höhergelegenen Terrassen der Umgebung weiß gepudert. Wir parken gegenüber dem Denkmal, vor dem jetzt ein Weihnachtsschiff steht. Bei Nacht sicher beleuchtet, ebenso die Weihnachtsszenen oben an der Mühlenruine, die bei Tag eher wie Sperrmüll aussehen.

Vorbei an der großen Kirche Panagia Apirathitissa geht es über Marmorpflaster hinein in den Ort. Ein paar Weihnachtskugeln und Schleifen zieren die Bäume bei der Kirche.

 

Bei meinem letzten Besuch tummelten sich hier gerade Busladungen von Ausflüglern, jetzt wirkt das große Dorf - offiziell 722 Einwohner bei der Zählung 2011 - völlig ausgestorben. Aber das täuscht, die Einwohner sitzen nur drin im Warmen während in den schattigen Ecken der Gassen der Schnee vor sich hin taut und von einem Grundstück ein Esel neugierig heraufguckt.

Mir gefällt Apiranthos (offiziell Aperathos) so viel besser, auch wenn die vier Museen jetzt natürlich geschlossen sind. Die Marmorarchitektur kommt ohne ablenkenden Schnickschnack und schattenwerfendes Blattwerk besser zur Geltung.

Immerhin ist auch hier ein Laden mit regionalen Spezialitäten geöffnet und findet in uns interessierte Kunden. Naxos war schon immer ein Shopping-Paradies. :-)

 

Barbara und ich erklimmen die Stufen zum Pyrgos Zevgolis, einem auf einem steilen Felsen im Ort liegenden Wohnturm, den man aus der Ferne besser sehen kann als von nahem. Dafür ist hier auch die Aussicht gut.

 

Und als wir schließlich das Restaurant "Amorginos" geöffnet finden, ist unser Glück perfekt. Es ist uns auch schon wieder etwas kühl geworden hier in der Höhe. Wir nehmen den Tisch am offenen Kamin, der rasch von der herbeieilenden Wirtin nachgeheizt wird. Sie offeriert als Tagesessen Rosto und Spanakopitta. Rosto kennen wir nicht, aber die Beschreibung klingt gut. Dazu noch ein Zucchiniomelette, und Lothar gelüstet es nach Makkaronia me kima. Das Rosto erweist sich eine Scheibe mit Knoblauch gespickten Rinderbratens mit dunkler Sauce und ist zum Niederknien. Auch die Spinatpastete und das Omelette sind köstlich. Die Pasta lässt allerdings auf sich warten - die Wirtin hat sie gut abkühlen lassen, damit Lothar sich nicht den Mund verbrennt. Schade drum.

Der Himmel hat sich verdunkelt, und plötzlich geht draußen ein Graupelschauer nieder, der schließlich in veritablen Schnee übergeht. Hoppla! Die Wirtin fragt dann auch besorgt, wo wir denn wohnen würden. Da käme noch mehr Schnee, und es wäre besser, wenn wir wieder hinab zur Chora fahren würden. Dieser Empfehlung kommen wir nach, wobei sich auf dem Weg zurück zum Auto die Kombination von Schnee auf Marmorboden als eine ausgesprochen rutschige Angelegenheit erweist. Gut, dass ich heute die Wanderstiefel angezogen habe.

Die Straße lässt sich aber noch gut befahren, und schon hundert Höhenmeter tiefer ist der Schnee nur noch eine Erinnerung. Vor vier Uhr sind wieder in Naxos-Stadt unten, wo Lothar und Therese ihre Sachen packen und ins Auto verladen. Sie müssen sich nicht beeilen - die "Aqua Jewel" hat mächtig Verspätung und dümpelt erst hinter Donoussa herum.

Wir warten dann im Hafencafé "Provlita" gemeinsam und vertreiben uns die Zeit mit einem gepflegten Tsipuro - je ein halbes Wasserglas voll. Hoffentlich gibt es keine Alkoholkontrolle bei der Fährauffahrt.

 

Endlich kommt eine Fähre, aber es ist erst die "Blue Star Delos". Mäßiger Betrieb am heutigen Montag.

Um Viertel nach sechs, mit fast anderthalb Stunden Verspätung, kommt dann tatsächlich das "Wasserjuwel". Es heißt Abschied nehmen von Therese und Lothar - es waren schöne Tage gemeinsam. Kommt gut wieder auf eure Insel, und genießt den restlichen Urlaub!

 

Nach der Kitron-Verkostung bei Promponas - dort ist im Winter erst ab 19 Uhr geöffnet - landen wir zum Abendessen in "Elizabeth's Garden" südlich der Altstadt an der Straße nach Agio Georgios. Der Sinn steht uns nur nach einer Kleinigkeit, und so landet der unvermeidliche Karotten-Kraut-Salat auf unserem Tisch, begleitet von einer Portion Falafel. Der freundliche Wirt offeriert außerdem einen eigenen Wein, ein bernsteinfarbenes Getränk, das uns sehr gut schmeckt. Barbara bekommt davon gerne noch einen halben Liter abgefüllt als Mitbringsel für ihre Mann.

Wir sind zunächst die einzigen Gäste, aber er kommt noch eine junge Frau, die wir an unseren Tisch bitten. Eine Argentinierin, die in Brüssel studiert und nun etwas herumfährt. Sie war zunächst in der Türkei und Ägypten, wo es ihr nicht so gut gefallen hat - die Männer seien so übergriffig gewesen. Nun hat sie Freunde in Athen besucht und von dort heute den Abstecher nach Naxos gemacht. Es gefällt ihr, nur findet sie es etwas kalt hier. Mhh, das könnte noch nicht die Spitze des Eisberges sein.

Wir werden morgen sehen.