Heute frühstücke ich auf dem Balkon. Der Pizzareste von gestern, ein Joghurt mit Honig aus dem Supermarkt, und ein Kaffee to go aus dem Café Akti. Passt.
Es ist immer noch etwas windig heute, aber der Wind hat die Richtung gedreht, weht nun von Norden und hat den Himmel beinahe frei von Wolken geblasen. Ich möchte heute im äußersten Inselosten wandern. Packe also Wander- und Badesachen ein und fahre nach Fanari, wo ich den Wagen am Ortsrand abstelle. Es ist halb elf, als ich losgehe. Nicht durch den Ort, sondern seitlich vorbei zur Küste. Die Straße steigt kurz steil an, und ich habe den Blick über die grüne Ebene mit Schilf und Palmen und auf die Start-und Landebahn des Flughafens, die direkt oberhalb der ersten Häuser von Fanari endet. Ich habe Emil im Ohr: "Die Piste ist fertig" und "die Leute in den Schrebergärten, schau nur wie sie davonspringen". Aber hier gibt es ja keine Schrebergärten. Nur mein Auto wäre dann platt. Walli fliegt heute Mittag ab, mal sehen ob ich ihrem Flieger zuwinken kann.
Aber erst führt mein Weg auf der Piste oberhalb der Küste entlang. Gelbkugelig hebt sich der Ginster aus dem Graugrün der Phryganabüsche ab. Nach der Biegung am Kap Kalomeria kann ich schon mein erstes Ziel vor mir sehen: den hellenistischen Wachturm von Drakanos. In der Ferne dahinter die Pyramide des Kerkis auf Samos. Im Osten näher Fourni und Thymena. Rechts unter mir säumen Strände - Lakoma und Drakano - die Küste. Der Rother-Wanderführer sieht vor, am Meeressaum entlang zu wandern und zu baden, aber ich bleibe lieber oben. Bademöglichkeiten werde ich trotzdem noch haben.
Ich passiere das Denkmal für die vier Opfer des Absturzes eines Rettungshubschraubers am 11. Februar 2003. Ikaros' Erben...
In der nächsten Biegung steht ein Haus mit marmornen Skulpturen im Garten und auf dem Dach. Eine Künstlerresidenz, oder der Landsitz eines solventen Sammlers? Interessant.
Wenig später zweigt links eine Piste ab, und ein Wegweiser zeigt zur italienischen Festung, die auf oder an der 145 Meter hohen Vigla liegt. Vielleicht gehe ich da auf dem Rückweg hinauf, jetzt möchte ich zum Wachturm. Ich bin wieder alleine auf weiter Flur. Keine Ahnung, wo sich die anderen Wanderer immer verstecken, die es auf Ikaria jetzt zur Wandersaison geben sollte.
Nach einer Dreiviertelstunde Wanderzeit nähere ich mich dem Wachturm. Das Gelände ist eingezäunt, sieht aber gepflegt aus, und bei einem Häuschen etwas unterhalb kann ich jemanden sehen. Das wäre ja schön, wenn ein Besuch des Turmes möglich wäre.
Und er ist möglich. Täglich außer Dienstag ist die archäologische Stätte von 8:30 bis 15:30 Uhr geöffnet. Wie der MM-Guide auf die Idee kommt, es wäre donnerstags geschlossen, bleibt mir ein Rätsel. Offizieller Schließtag der staatlichen Museen und Stätten ist eigentlich immer der Dienstag. Aber das kann sich natürlich trotzdem ändern, und ist mir jetzt auch egal: Hauptsache es ist jetzt offen.
Der Eintritt ist frei, und ich betrete das Gelände mit dem fast weißen Turm, der aus hellenistischer Zeit stammt, also aus dem 4. bis 3. Jahrhundert vor Christus. Ich habe schon einige dieser Rundtürme auf den griechischen Inseln gesehen, etwa auf Andros und Sifnos, aber neben dem Pirgos Chimarrou auf Naxos dürfte dies der am besten erhaltene sein, den ich bisher kenne. Die Türme dienten als Signalturm, Wachturm und Fluchtburg für den Verteidigungsfall.
Im Gegensatz zum Pyrgos Chimarrou ist er auch innen gerüstfrei, so dass ich das Innere betreten kann. Der Turm ist 13 Meter hoch und hat einen äußeren Durchmesser von acht Metern. Er ist aus großen Marmorblöcken gebaut, die ohne Verbindung oder Mörtel aufeinander gesetzt sind, die Wandstärke beträgt unten fast einen Meter. Ich bin sehr beeindruckt von der hellen Innenwand und der Höhe sowie vom weiteren Ausgrabungsgelände. Es gibt zwei oder drei Bildtafeln, die die Fundament erklären. Gut gemacht, Ikaria!
Und die Lage auf dem Ostkap über dem Meer ist natürlich auch toll. Ich möchte nun hinab zum Strand bei der Kapelle Agios Georgios. Am Wächterhäuschen am Ausgang komme ich mit der Frau ins Gespräch, die hier die Aufsicht führt und das schattige Häuschen verlassen hat um sich in der Sonne aufzuwärmen. Sie freut sich, dass sie hier sein kann, kommt gerne zu Fuß. Stimmt, es steht kein motorisiertes Fahrzeug herum. Der Strand unten wäre schön, und auch der von Iero. Nein, sie wäre noch nie dort gewesen, aber sie hätte Bilder gesehen. Aber ich solle aufpassen bei dem Fußweg hinab, es wäre steinig. Efcharisto!
Der schmale Fußweg geht südlich des Zaunes hinab, trifft dann auf einen Querweg. Rote Punkte helfen bei der Orientierung, und nach zehn Minuten stehe ich vor der niedrigen Kapelle mit dem steinbeschwerten Schieferplattendach. Sie ist unverschlossen, das Interieur versammelt einen lustigen Deckenleuchter und einfache Ikonen unter einem Dach mit massiven Holzbalken. Rechts eine Ikone des Heiligen Kosmas mit der Bitte, Kerzen wieder zu löschen ehe man geht. Zeit, mal wieder zu singen. Dann eine kleine Pause auf der gemauerten Umrandung vor der Kapelle.
Nein, schnell hinab zum Strand, in drei Minuten bin ich unten an der vorderen von zwei sandigen Buchten, die mit Felsbrocken umrahmt sind. Eine angespülte Palette bietet sich als wenn auch sehr niedrige Sitzbank an. Den Bikini kann ich schonen - es ist niemand hier. Es geht sehr flach in Wasser, Schwimmen ist schwierig. Ist das saukalt hier, wo das Meer ungeschützt liegt! Kaum 18 Grad. Ich krabble fast bäuchlings ins Tiefere, werde aber gleich wieder ins Seichte getrieben. Gut, reicht auch. Ausreichend erfrischt lasse ich mich von der Sonne trocken ehe ich wieder in die schweißfeuchten Klamotten schlüpfe. Ein Plackerei bei Wandersocken und Stiefeln, zumal die Palette nur eine niedrige Sitzhöhe bringt, was meine Restbandscheiben nicht so gerne haben. Aber insgesamt kann ich nicht klagen - wandertechnisch geht es bergauf mit dem Rücken. Und auch sonst, auf dem Fußweg.
Kurz nach eins stehe ich wieder oben beim Turm. Ich wollte eigentlich auf dem gleichen Weg zurück, aber eine doppelte Fahrspur verläuft oberhalb der Nordküste, und ein Wegweiser mit "Iero" zeigt auch in diese Richtung. Also schlage ich diesen Weg ein, der zunächst noch auf einer Piste durch die Frygana verläuft und dann in ein schmales Monopati übergeht. Eine Abzweigung nach Iero ignoriere ich zunächst - scheint ja ein Abstecher zu sein und nicht am Weg zu liegen. Extra runter und nachher wieder rauf - da hab ich keine Lust. Ein Blick auf die Karte oder in die Wanderbeschreibung von Rother Nr. 24 hätte geholfen, aber dazu bin ich jetzt zu bequem.
Und dann stehe ich wenig später am oberen Rand einer Steilküste, und eine traumhafte Bucht liegt weit unter mir: tief eingeschnitten mit türkisgrünem Wasser, dazu ein heller Strand mit schattenspenden Bäumen. Eine Holzbaracke am Rand, und etwas Strandmöbel. Und das Beste: niemand ist dort zu sehen. Verlockend! Das muss Iero sein.
Da mein Weg hier nicht weiterzugehen scheint, blicke ich (spät) auf die Karte und sehe: ich muss da eh hinab, denn der Weg geht über Iero. Gehe also einige Minute zurück bis zum Wegweiser, dann auf der Hochebene vor bis zum Einstieg auf einem sehr steilen Abstieg am Rande der senkrechten Felsenwand. Ganz vorsichtig gehe ich abwärts, wenn ich ausrutsche, geht es direkt ins Meer. Bin ich froh, dass ich meinen Wanderstock dabei habe!
Weiter unten quert der gut markierte Weg dann die untere Felsenwand, und ich erreiche nach zwanzig Minuten die Stelle über der Bucht, an der es links zur Höhle des Dionysos geht, deren dunkle Schatten ich schon erkennen kann. Klar, dass ich mir die auch noch angucke.
Ich muss etwas durchs Gebüsch, aber dann führt einen breiterer Weg hinauf und ich stehe unter dem Felsenüberhang, von dem es tiefer in den Berg gehen könnte. Hier soll der (Halb)Gott Dionysos geboren worden sein. Das höre ich zum ersten Mal - ich dachte, Dionysos wäre dem Schenkel seines Vaters Zeus entsprungen, wo dieser den Ungeborenen nach dem Tod der menschlichen Mutter Semele eingenäht hatte. Lokale Mythenvarianten.
Ich hab es nicht so mit unerschlossenen Höhlen, gucke mich nur etwas um. Man verpasst nicht wirklich viel wenn man hier nicht war.
Und nun zum Strand. Als ich dort ankommen, ist erfreulicherweise immer noch niemand dort, obwohl es eine Schotterpiste hierher gibt, die bei Fanari rechts der Startbahn abzweigt. Er gibt ein paar einfache, aus Holzlatten und Paletten gezimmerte und blau angestrichene Bänke, Tische und Sonnenliegen im Schatten der Tamarisken. Der Strand besteht aus Kies, auch diese Bucht sieht sehr flach aus. Ich packe erst mal mein Vesper aus und stärke mich.
Vom nahen Flughafen ist der Lärm eines landenden Flugzeuges zu hören. Das dürfte Wallis Flieger sein. Ich wünsche ihr per SMS eine gute Reise und warte wenig später, ob ich die startende Maschine sehen kann. Aber ich höre nur das anschwellende Motorengeräusch, das schließlich in der Ferne entschwindet.
Soll ich hier nochmals baden gehen? Sieht schon sehr verlockend aus. Ich entscheide mich schließlich dafür, und bin schon fast ganz ausgezogen, als sich über die Piste ein PKW nähert, dem drei Griechinnen entsteigen. Ja super. Soll ich jetzt trotzdem hüllenlos ins Wasser? Sie blicken sich um: eine installiert sich auf den Strandmöbeln am anderen Ende des Strandes, zwei machen sich auf den Weg zu Höhle. Gut, dann werde ich schnell ins Wasser hopsen - ich bin ja weit genug weg. Das Meer ist auch hier frisch, aber ganz so kalt wie am Kap. Die Bucht liegt ja geschützt. Allerdings ist es fast so flach wie vorhin, aber ich kann jetzt nicht lange zögern, also schnell aeintauchen. Herrlich!
Als ich wieder an Land bin und mich anziehe, kommt von der Höhle eine einzelne Wanderin, eine junge Frau. Sie ist wohl auch den Weg vom Plateau herabgekommen, geht nun nahe von mir baden, züchtig bekleidet. Immerhin doch mal noch eine Wanderfreundin.
Ich pausiere noch etwas ehe ich mich auf die Piste Richtung Flughafen mache. Der Zaun zur Startbahn ist schnell erreicht, nun verläuft die Schotterpiste parallel dazu. Ich kann einen Blick auf den Flughafen werfen, wo nun alles wieder in Ruhe liegt. Links der Piste befindet sich ein zweiter eingezäunter Bereich, vorne mit geparkten Autos: eine Kaserne. Kein Fotos, Katharina!
Das charakteristische Tschilpen der Bienenfresser ist aus der Luft zu hören, die bunten Vögel schwirren über mir herum. Ich mag sie, allemal lieber als die paranoiden Militärs.
Vom Südende der Landebahn ist es nur noch ein Katzensprung bis zu meinem Auto, aber ich biege links zu einem Schlenker ab um mir die Option eines Besuches der italienischen Befestigung auf der Vigla offen zu halten. An der Querverbindung hat es links ein Solarfeld und rechts eine Handvoll neue Ferienhäuser. Bieten sich vor allem für Planespotter an ...
Als ich dann den Küstenweg mit der Abzweigung des schmalen Fußweges zum Vigla erreiche und die ersten Meter ausprobiere, habe ich keine Lust mehr, dort hinaufzusteigen. Es ist warm geworden, und ich bin müde.
So kehre ich auf dem Küstenweg zum Auto zurück, das ich gegen halb vier erreiche. Das war eine schöne Rundwanderung! Mit vielen Pausen war ich fünf Stunden unterwegs, etwa die Hälfte davon als Gehzeit. 260 Höhenmeter, neuneinhalb Kilometer - das ist mehr als die Wanderbeschreibung im Rother (8,5 km) aufführt, zumal ohne den Abstecher zur Vigla. Der wird hin und zurück mit zweieinhalb Kilometern angegeben: Kann fast nicht stimmen was da im Rother steht, wenn ich auf Google Earth nachmesse und meine Aufzeichnung angucke.
Ein Gruppe motorisierter Biker saust vorbei als ich Richtung Therma fahre. Heute ist Samstag, da ist am Nachmittag Zeit für allerlei Wochenendvergnügungen. Die einen fahren an den Strand, die anderen pesen lautstark durch die Gegend. Auch am Strand von Therma herrscht Betrieb, eine große Gruppe Jugendlicher albert raumeinnehmend herum, und ein Gruppe Touristen von einem Boot produziert Selfies.
Der Sinn steht mir mehr nach Süßem als nach einem Bad, und so setze ich mich erst mal in ein Café. Mein Frage nach Glyko mit Winken in die Küche beantwortet, wo ich einen "Kalten Hund" zu meinem Frappé auswähle. Auf Griechisch heißt das "kormós" (= Stamm) oder "mosaïko", und ich habe es immer mal wieder als Zugabe in Taverne bekommen, aber noch nie bestellt. Schmeckt köstlich!
Dann geht es ins Thermalwasser. Leider haben die Jugendlichen inzwischen ihren Spielplatz vom Strand auch ins Meer verlegt und hier die heißen Plätze okkupiert. Keine Chance, da heranzukommen. Hey, das ist nicht gesund, da so lange drin zu bleiben! Aber der Jugend ist das egal, die haben ihren Spaß. Ich lasse mir die Laune nicht verderben und plantsche am Nachbarfelsen, ehe es nach Agios zurückgeht.
Am Abend zum Essen gehe ich dann ins "Stou Volika" an der Platia, das ich aus der Werbung in Ikariaki Radiofonia kenne. Die Fava ist ok, die Pitarakia gehen so. In Armenistis isst man besser. 17 Euro werden dafür inklusive einem Viertel Wein fällig.
*
Der Sonntag macht seinem Namen alle Ehre. Bei strahlendem Sonnenschein frühstücke ich auf meinen Balkon das übrige Pitakari von gestern, das am nächsten Tag auch nicht wirklich besser ist. Dann ein Joghurt mit Honig und ein Tsoureki zum Kaffee-to-go. Die "Dodekanisos Pride" kommt und geht wieder. Ich packe meine Sachen zusammen und bezahle das Zimmer. Bar und ohne Beleg. War eher eine So-la-la-Unterkunft, das "Akti".
Bummele dann noch eine Runde durch Agios weil ich gerne noch das Archäologische Museum besuchen möchte. Aber da habe ich mich schlecht informiert: am Wochenende ist das Museum geschlossen. Macht nix. Ich belasse es bei einer Runde zur Kirche des Heiligen Kirykos, und beobachte fasziniert, wie eine weiße Wolkenwalze an der Gipfelkette des Atheras-Gebirges hängt! Dann steige ich ins Auto und fahre westwärts.
Ich möchte mir in Xylosyrtis nochmals die Quelle des ewigen Lebens angucken und fahre langsam auf der Suche nach einer Abzweigung auf der Straße oberhalb des Ortes. Aber die Abfahrt ist gesperrt (oder zumindest interpretiere ich ein Sperrschild so), und außerdem ist es auch etwas sehr steil. Also stelle ich das Auto oben ab und gehe zu Fuß zu Küste östlich des Ortes. Wir haben das schon beim letzten Besuch herumgesucht, und das Ganze ist nicht besser geworden, im Gegenteil: eine wirkliche Quelle ist gar nicht mehr zu erkennen, der auf den Felsen geschriebene Hinweis weist ins trockene Nirgendwo. Kleine Becken mit mäßig fließendem Wasser - das soll einen Quelle sein? Eher nicht. Oder die betonierte Plattform samt mit einem Metalldeckel abgedeckten Schacht - unromantischer geht es kaum. Oder ist die Quelle hinter dem banalen Wasserhahn an einem graffitiverzierten Betonhäuschen versteckt? Nur gut, dass ich ein ewiges Leben nur in Kombination mit ewiger Gesundheit und ewigem Glück für erstrebenswert halte, und auf das Wasser verzichten kann. Aber Ikaria, wie gehst du mit deinen Schätzen um?
Dann doch lieber noch etwas Aussicht. Auf der Karte habe ich eine befestigte Straße entdeckt, die bei Xylosyrtis abzweigt und sich in einem Dutzend Serpentinen den Berg bis auf eine Höhe von über 500 Metern zu einem Weiler namens Kámba hochschlängelt. Schön bequem mit dem Fuß verhalten auf dem Gaspedal steigt es sich auch mal ganz schön. Schnell habe ich freie Sicht über die grüne Südflanke Ikarias und das blaue Meer bis zu Patmos am Horizont. Dahinter im Dunst weitere Inseln: Sind Arki oder Lipsi hoch genug um sie erkennen zu können? Möglich. Die Fernsicht scheint man sich hier für Sonntage zu reservieren. Fast oben geht in einer der Kehren ein Feldweg zur Kapelle Agios Ioannis Prodromos ab, die hinter Bäumen versteckt kaum auszumachen ist. Ist mir jetzt aber zu weit. Autofahren macht bequem.
Wieder unten auf der Hauptstraße geht es weiter westwärts. Hinter Plagia wird die Straße neu asphaltiert, was eben auch sonntags und bei laufendem Betrieb stattfindet. Und das geht offenbar schnell, denn vor einer Woche war noch nichts davon zu sehen. Asphaltsteinchen schlagen an den Unterboden.
Im dem kargen Taleinschnitt nehme ich jetzt nicht die Abzweigung über die Passstraße nach Norden, sondern steuere Manganitis an. Da geht es durch den Tunnel, und danach würde es zum Seychelles-Strand abgehen, der ja mit Aushub aus dem Tunnel aufgeschüttet wurde. Aber man kommt ja ohne Boot nur so schwer hin, also keine Badepause hier.
Manganitis scheint mir gewachsen. Am Ortseingang verweist ein Schild auf eine geöffnete Taverne namens "Apostolis" oberhalb, aber ich möchte erst gucken, ob ich im Ort oder unten am Hafen etwas finde. Hungrig wäre ich. Die Straße stützt sich steil hinab durch den Ort, aber hier ist das Parken schwer. Sieht auch nichts offen aus. Ich parke schließlich unten an dem kleinen Hafen, der mit verzweigten Piers zwischen großen Felsenbrocken Platz für kleine Kaikia bietet, aber auch für die "Eleftherios", das Pendelboot zwischen Karkinagri und Agios Kirykos. Das am freien Sonntag überraschenderweise nicht in Karkinagri liegt, sondern hier in Manganitis.
Der Hafen ist wirklich hübsch gemacht, es gibt sogar ein paar Sonnenschirme auf dem Betonkai. Das Wasser türkisgrün, und ein Felsen westlich davon wurde von der Natur mit Fingern und Augen gestaltet. Natürlich gibr es auch eine Taverne hier, mit dem schönen Namen "Ston Gialo kanei Fourtouna" - hey, das kenne ich doch aus dem traditionellen Lied "Sto 'Pa Ke Sto Xanaleo". Zwei Männer sind mit der Saisonvorbereitung zugange, aber geöffnet ist noch nicht, auch wenn es schon fast so aussieht. Schade, hätte mir gefallen hier.
Die Straße geht im Einbahnverkehr östlich um den Ort herum, aber auch hier finde ich kein Lokal. Also fahre wieder zur Kreuzung oberhalb, und biege auf die Straße ab, die über den Ort führt bis ich das Lokal entdecke. Parke an der Straße und gehe die paar Schritte zurück. Ein Kleintransporter steht dort, und es werden Mengen von frischem Fleisch angeliefert und ausgeladen. Ein Mann winkt mir zu, ich solle vorbei hinter das Lokal gehen, wo auf einer kleinen Terrasse drei kleine Tischchen stehen. Sieht ziemlich improvisiert aus, das Ganze, aber schnell kommt eine Frau aus der Küche, bringt einen Krug Wasser und zählt auf, was es gibt: Vor allem Gegrilltes. Mhh, will ich jetzt nicht. Ich hatte noch keinen griechischen Salat in diesem Urlaub, der passt mit jetzt, und eine hausgemachte Limo dazu. Die Tomaten im Salat kommen leider aus dem Kühlschrank, aber sonst schmeckt er gut. Hinter mir zerlegen zwei Männer halbe Schweine in tellergroße Portionen. Nichts für Vegetarier hier.
Für mich wird es allmählich Zeit, auf die nördliche Inselseite zu wechseln. Über den Pass bei Agios Dimitrios fahre ich die nun schon bekannte Straße nach Évdilos. Das Wetter ist auf der Nordseite wieder anders als im Süden: viel windiger. Für ein Nickerchen fahre ich noch zum breiten Strand von Kyparissi hinab, der ein paar Kilometer östlich von Evdilos liegt. Die Brandung tobt furchteinflößend, und keine Schwimmer trauen sich ins Wasser. Nur ein, zwei einsame Strandspaziergänger mit Hund sind unterwegs. Ich strecke mich auf den flachen Kieseln aus und schlafe eine Runde mit gestelltem Wecker, denn um 16 Uhr muss ich das Auto am Eingang des Hafens von Evdilos abstellen.
Pünktlich bin ich dort, finde auch einen Parkplatz an der genannten Stelle. Aber fährt die Fähre überhaupt hier ab? Ich frage einen LKW-Fahrer, und der weist quer über die Bucht zum anderen Ende. Gut, dann werde ich erst mein Gepäck dort abstellen und dann den Wagen wieder herbringen. Gedacht getan. 434 Kilometer bin ich in neun Tagen gefahren. Der Tank ist so gefüllt wie ich den Wagen übernommen habe, der Schlüssel kommt unter die Fußmatte im unverschlossenen Wagen. Hat mich gut getragen, und den Verleiher Ikaria Holidays kann ich empfehlen.
Bis zu Abfahrt der "Blue Star Myconos" um Viertel vor sechs habe ich nun noch etwas Zeit. Einige Läden sind geöffnet, und die Tavernen und Cafés an der Paralia sind gut belegt. Viele Familien sitzen hier, Kinder spielen während die Mütter Kaffee trinken. Stimmt, heute ist ja Muttertag. Schnell zuhause anrufen!
Und noch eine Frappé samt süßem Caramelflan beim Zaccharoplastis genießen, und die Leute beobachten. Evdilos ist ein nettes Städtchen, vielleicht könnte frau sich beim nächsten Mal auch hier einquartieren.
Das Fährticket habe ich gestern schon in Agios gekauft. 13 Euro 50 kostet die zweistündige Überfahrt nach Mykonos. So ganz pünktlich wird die Fähre hier nicht eintreffen, ich kann sie bei Marinetraffic verfolgen, sie hat erst Fourni verlassen.
Um halb sechs gehe ich hinüber zum Anleger, wo mein Gepäck immer noch unberührt steht. Es haben sich schon einige Reisende eingefunden, und weitere strömen herbei. Viele müssen zum Wochenbeginn wieder in Athen sein, wobei die Fähre erst nach Mitternacht in Piräus eintreffen wird. Kurz vor sechs Uhr zieht die "Blue Star Mykonos" dann in den Hafen und schiebt ihr Heck zum Anleger. Bis wir dann die Klappe schließen und wegfahren, ist es schon fast halb sieben. Das Schiff ist sehr gut gefüllt, es kommt von Lesvos, Chios und Samos.
Entlang der Küste betrachte ich Kambos, Gialiskari, Armenistis und Nas durchs Fernglas, dann entschwindet Ikaria langsam in der Ferne. Ich hatte eine gute Zeit hier, und es hat mir auch gefallen.
Aber irgendwie gefallen mir die waldlosen Kykladen doch besser und ich freue mich sehr darauf!