Flucht von Koufonissi

Es war Mitte der 1990er Jahre, als ich noch alleine und als Studentin mit begrenzten Mittel auf den griechischen Inseln unterwegs war.

Die Unterkünfte, die ich mir leisten konnte, waren meistens nur als spartanisch, primitiv oder rustikal zu bezeichnen. So wohnte ich auf Amorgos in Katapola in einem Zimmer mit eigenem Bad, allerdings war die Dusche fest direkt über der Toilette angebracht, und heißes Wasser war auch nur selten zu haben. Nach einigen Tagen quälte mich ein „steifer Hals“ ob der kalten Güsse. Kam ich abends heim, so fand ich mehrmals im Vorraum, den ich durchqueren musste, ein Matratzenlager mit Schläfern. Und das im September, in der Nachsaison. Zum Glück machte die Insel Amorgos dieses Defizit wett.

 

Als es Zeit war, weiterzureisen, stand die Insel Koufonissi auf dem Programm. Mit der alten „Scopelitis“ morgens um 6 Uhr, bei rauher See via Egiali und Donoussa. Unterwegs hätte ich beinahe Fische gefüttert, warf dann aber ein Tablette gegen Reiseübelkeit ein und verschlief den Rest der Fahrt. Stand schließlich am späten Vormittag leicht benommen im Hafen von Koufonissi, den Rucksack auf dem Buckel, zog den langen Anleger entlang. Quartiersuche. Auf der anderen Buchtseite sehr verlockende, neue Unterkünfte. Aber teuer. Zu teuer. 6.000 Drachmen pro Nacht, das ging gar nicht.

So zog ich weiter zur Ormos Charakopou, bei Finikas, wollte gerne dort wohnen, nur ein Katzensprung zum Meer. Kam dort an und hatte die Wahl zwischen einem Zimmer mit Gemeinschaftsbad oder mit eigenem bad. Nach den Erfahrungen von Amorgos wollte ich mir ein wenig „Luxus“ gönnen und nahm ein Zimmer mit eigenem Bad. Zum stolzen Preis von immerhin auch 4.000 Drachmen wenn ich mich richtig erinnere. Im Gemeinschaftsbad hätte nur 2.000 Drachmen gekostet.

 

Schnell wollte ich nach der Schiffstour an den Strand. Bloß machte der heftige Wind das Liegen dort äußerst ungemütlich – Sandstrahlgebläse war angesagt!

Und auch die negativen Auswirkungen einer sandstrandnahen Unterkunft waren schnell zu spüren – der Sand war einfach überall. Ich verbrachte den Tag ruhig nach einem kurzen Bad im Meer. Wollte dann den Sand und das Meerwasser abwaschen im eigenen Bad. Es wurde nur ein Schmirgeln draus: die (natürlich wieder) feste Dusche hatte zwar heißes Wasser, immerhin. Aber in verschwindend kleiner Menge. Das Badezimmer war mehr eine Grotte, ein schmales Rinnsaal, kaum mehr als ein paar Tropfen ergoss sich, nein: tröpfelte über mich. Wie in einer Tropfsteinhöhle eben. Immerhin etwas wärmer. Nach diesem unbefriedigenden Duschgenuss sank meine Stimmung auf den Tiefpunkt.

Ein gutes Essen im Hafen- und Hauptort Epano Koufonissi würde zur Stimmungsaufhellung beitragen. Etwa 15 Minuten benötigte ich dorthin. Beobachtete das Anlegen der „Scopelitis“ auf ihrem Rückweg nach Amorgos. Bummelte um den Ort herum, nett, immerhin.

Das Abendessen in einem offensichtlich für seine Langusten bekannten Lokal war auch nicht richtig heimelig: an allen Nachbartischen saßen die Monsterviecher auf dem Teller! Mir war nach der schaukeligen Überfahrt nicht mehr nach Meer, schon gar nicht mit Fühlen und Beinen auf dem Teller. Und hatte Mühe, auf der Speisekarte etwas zu finden, es gab nur Fisch. Zwischen den knackenden Geräuschen von den umliegenden Tischen verzehrte ich eine griechischen Salat, dazu ein offener Wein. Blöd auch wenn man auf einer Fischerinsel keinen Fisch will. Selbst schuld!

 

Irgendwie begann die Insel, mir mehr und mehr zu missfallen. Wollte weg hier. Beschloss, dass ich eigentlich alles wichtige schon gesehen hatte und schon morgen weiterreisen würde. Flucht ob der Widrigkeiten. Naxos ist schließlich auch schön!

 

Ich würde meinen Entschluss Finakas gleich nachher mitteilen, damit er mich zur „Scopelitis“ bringen würde am nächsten Tag. Nur nicht noch einmal meine Rucksack da entlang schleppen!

Also ich die Taverne verließ, war es längst dunkel. Stockdunkel sogar. Im Gegensatz zu Mitteleuropa, wo immer irgendwo ein Licht zu sehen ist – von taghell erleuchteten Straßen ganz zu schweigen – war hier kein Licht je weiter ich mich vom Ort entfernte. Und keine Steren, kein Mond, der Himmel bedeckt. Und eine Taschenlampe lag in meinem Zimmer, da lag sie gut! Ich tastete mich die Piste zum Finikas-Strand entlang. Auch nach einigen Minuten hatten sich meine Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Ich sah nichts. Tipota. War quasi blind. Ein Auto fuhr vorbei, ich versuchte, mir den Weg im Licht der Scheinwerfer einzuprägen. Der hätte mich ja auch mitnehmen können, hatte mich aber wohl gar nicht gesehen. Nach ewig erscheinender Dunkelheit und Voranstolpern sah ich endlich die Licht von Finikas! Teilte dort dem Chef mit, dass ich morgen abreisen wollte. Ein wenig erstaunt war er schon über die Kürze meines Aufenthaltes, aber von Touristen ist man ja Kummer gewohnt. Unergründliche Wesen.... Ja, er würde mich zur Fähre bringen.

 

Da die „Scopelitis“ am nächsten Tag nicht die Runde über Egiali und Donousa drehte, würde sie schon früher vorbeikommen. Schätzungsweise gegen 8 Uhr. Nach mäßig durchgeschlafener Nacht saß ich kurz vor 8 Uhr auf meinem gepackten Rucksack und wartete auf Finikas. Er wusste aber wohl besser, wann die „Scopelitis“ kommt – vermutlich haben die Inselbewohner das im Biorhythmus. Kurz vor 9 Uhr – ich war schon ordentlich nervös – kam er, packte wortlos meine Gepäck in den VW-Bus und bretterte zum Hafen. Schnell noch ein Ticket erstanden am Hafen, da bog die Rostlaube schon um die Ecke.

 

Und so endete mein Koufonissi-Besuch nach nicht einmal 24 Stunden.

Ich werde aber einen neuen Anlauf nehmen.

Irgendwann einmal....