Ausklang in Limenas

Mit dem Sonnenwunsch, das hat geklappt. Nach dem Packen und dem Frühstück - heute schon um acht - ziehe ich los. Ich will mir nochmals Limenas angucken und etwas einkaufen. Meine Fähre fährt um 12 Uhr ab Skala Prinou und Ilka wird mich um Viertel nach elf hinbringen. Ich hab also noch zwei Stunden Zeit.

 

Vorbei am Zeus-Hera-Tor und drei von einem märchenhaften Dornendickicht fast verdeckten antiken Sarkophagen geh ich zur Ausgrabung des Herakles-Tempels. Mehr als Fundamente sind hier nicht zu sehen, aber ich staune dennoch über die Vielzahl der antiken Überreste. Etwas weiter befindet sich der steinerne Dreiviertelbogen des Odeons, nur vier Sitzreihen hoch. Aber das Theater aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert war ursprünglich größer, der Rest ist neuerer Bebauung zum Opfer gefallen.

Über weiteres Dornenwildnis kann ich hinüber zur antiken Agora gucken. Sieht aus wie ein etwas verwilderter Garten.

Die bisherigen Reste waren griechisch oder römisch, etwas weiter nördlich gibt es nun auch frühbyzantinische Relikte zu bewundern: eine Villa aus dem sechsten Jahrhundert. So manches neue Haus steht hier auf einer früheren Besiedlung. Die Ausgrabungen sind offenbar noch nicht abgeschlossen auch wenn dort im Winter niemand arbeitet - nach so vielen Jahrhunderten eilt es nun wirklich nicht.

Und wieder liegen Katzen auf Sockeln und genießen die Sonne. Es ist auch wirklich ein schöner Tag heute.

Beim Metochi-Kulturzentrum erreiche ich den Fischerhafen und wandere über die Mole des Hafens bis zu deren Ende, wo eine Laterne den Leuchtturmersatz gibt und die Hafeneinfahrt markiert. Zwei Männer kommen mir in ein intensives Gespräch vertieft entgegen. Das Wetter heute lockt die Menschen heraus.

Im flachen, klaren Wasser wimmelt es von Seeigeln.

 

Hinter den großen Fähren und der Stadt zeichnet sich ein breiter Bergrücken ab, der links vom 1109 Meter hohen Profitis Ilias begrenzt wird. Weiße Wolkenschleier hängen davor. Den höheren Ypsarion kann man von hier aus aber nicht sehen, er liegt links dahinter.

 

Die Hafenfront des Fischerhafens liegt noch im Schatten, überragt von den schwarzen Nadelbäumen des Akropolis-Hügel. Es ist so gar kein Bild, das meinen mediterranen Vorstellungen entspricht. Nordgriechenland ist eben anders. Man kann sich daran gewöhnen, aber mein Herz bleibt in der südlichen Ägäis. Und jetzt wo ich das schreibe, im April 2020, wo der Mai-Urlaub auf den Kykladen der Corona-Krise zum Opfer fallen wird und unklar ist, ob man im Herbst wieder wird reisen können, tut das besonders weh. Aber ich bin froh, dass ich diesen Januar-Urlaub gemacht habe. Er wird mich seelisch über das Jahr bringen (müssen). Und natürlich die viele Erinnerungen an frühere Urlaube. Davon weiß ich aber auf Thassos noch nicht, da ist Corona noch ein Virus, der nur im fernen China herumspukt.

Entlang der Uferpromenade bummel ich nochmals bis zur Kapelle Agii Apostoli am Kap Evreokastro. Sie ist immer noch verschlossen, optisch und real. Der Marmorstrand unter dem Felsen strahlt ihn kühlem Weiß, dahinter reihen sich die Fähren auf ihrer Fahrt von oder nach Keramoti am Horizont.

Ich wende mich jetzt der Agora zu. Das Tor am archäologischen Museum ist geschlossen. Schade, so kann ich nicht über den antiken Marktplatz schlendern, der heute alleine ein paar großen Möwen gehört. Die hohe Säule ist auch der perfekte Vogel-Sitzplatz.

 

Dafür habe ich bei der Agios-Nikolaos-Kirche Glück: sie ist geöffnet. Die typisch für Thassos eher unscheinbare schiefergedeckte Kirche soll schon 835 erbaut worden sein, was ich im Inneren kaum glauben mag, denn das sieht alles doch eher neuer aus. Zumindest die Fresken in den Seitenschiffen. Auch die Wandmalereien im Tonnengewölbe des Mittelschiffes zeigen sich in voller Farbenpracht. Entweder hat man bei einer Restaurierung jegliche Patina entfernt, oder nur die schwer einsehbaren Fresken in der Apsis sind alt.

Der separat stehende Glockenturm passt so gar nicht zum Gebäude.

Hinter der Rückseite der Kirche erspähe ich dann aber, dass ein Tor zur Agora geöffnet ist. Ein Mann ist mit dem Aufräumen von Müll beschäftigt. Schnell steige ich in das tiefer gelegen Gelände hinab. Das saftiggrüne Gras ist noch nass vom Tau, und kurz darauf sind es meine Schuhe auch. Ich verzichte darauf, mir anhand des Reiseführers Details zum Gelände zu erschließen und springe lieber von Stein zu Stein, Säulen und Säulentrommeln bewundernd.

 

Immer ein Blick auf das Tor, das vielleicht wieder geschlossen werden könnte. Aber es wird auch allmählich Zeit, zum Quartier zurückzukehren. Vorher kaufe ich noch ein paar lokale Spezialitäten -Throumba-Oliven, eingelegte Bergamotte und Quitten. Eingelegte unreife Walnüsse sollen auch eine Spezialität sein, aber die sehe ich nirgends. Hätte ich auch vorher gerne mal probiert.

Vor dem Angeliki-Hotel lümmelt ein Gruppe Schülerinnen herum. Schon Pause? Nein, offenbar ist heute Schulausflugstag, denn weitere Schüler stehen gegenüber in einem Spielsalon. Und die Lehrerinnen sitzen im Café Angeliki. Ob sie von Kavala kommen? Nein, meint Ilka später, das wären hiesige Schüler, so würden hier die Schulausflüge aussehen. Ob man dann wenigstens auch ins Museum gehen würde, oder sich sonst etwas angucken? Eher nicht. Gut, andere Länder, andere pädagogische Vorstellungen. Wanderungen oder so wären ja auch für die griechischen Lehrer eine Zumutung ...

 

Um elf bin ich zurück in den Anthos Apartments und verstaue meine Einkäufe im Trolley. Und wenig später fährt Ilka mich nach Skala Prinou, wo ich mich von ihr verabschiede. Liebe Ilka, das waren schöne Tage auf Thassos, und dass es so schön war, war auch dein Verdienst. Danke!

Wieder ist es die "Agios Panteleimon", die für die Überfahrt bereit steht. Die beiden anderen Fähren, die neben ihr liegen, werden gerade wohl geschont. Ich kaufe meine Fahrkarte im Tickethäuschen und betrete das Schiff. Es ist nicht annährend so voll wie am Freitag auf der Herfahrt.

 

Ich suche mir einen windgeschützten Platz in der Sonne, denn im Schatten ist es (zu) kalt. Das Schiff fährt pünktlich los, und ich grille in der Sonne. Fast zu heiß.

Die sonnenbeschienen Berge von Thassos bleiben langsam zurück. Ob ich wiederkomme? Schwer zu sagen.

Nach 85 Minuten Fahrt legt die Fähre in Kavala an. Der nächste Bus nach Thessaloniki fährt um zwei Uhr, in einer halben Stunde. Es ist wieder kein Express-Bus, aber ich freue mich auf die Fahrt, denn nun kann ich unterwegs ja auch etwas sehen. Die Fahrt geht dieses Mal nicht entlang der Küste, sondern durch die Berge über Eleftheroupoli. Später entlang der Seen (Volvi-See und Kononia-See), die die Chalkidiki vom restlichen Festland trennen.

Ich genieße die Fahrt und freue mich auf drei Tage Thessaloniki.