Nix Kastos - und Finale

Am Freitag ist das Wetter trübe, es sieht nach Regen aus. Dieses ionische Wetter ist nicht mein Fall, denke ich zum wiederholten Mal. Die Wanderung nach Episkopi ist ersatzlos gestrichen - Wanderung auf Asphalt im Wald - nein danke, das muss nicht sein.

Ich gehe zum Hafen um die letzte Chance für die Fahrt nach Kastos zu nutzen. Gerade wie ich unten angelange, legt ein kleines Motorboot mit Passagier in Richtung Kastos ab. Mist, das wäre jetzt vielleicht die Gelegenheit gewesen. Ich frage die Bedienungen bei "George" ob es ein Boot nach Kastos gibt. Ja, das Sea-Taxi, und man gibt mir die Telefonnummer. Ich solle aber unbedingt vorher nach dem Preis fragen. Keine andere Möglichkeit? Man verneint.

 

Den Versuch ist es wert, und ich rufe das Sea-Taxi an. Was es denn kosten würde, uns von Kalamos nach Kastos zu bringen, und nach einer Stunde wieder zurück? 50 Euro sagt er, und das ist eine Preisklasse, die mir der Spaß wert ist. Ich würde es mir kurz überlegen, und ihn dann wieder anrufen. Endaxi.

Zurück zur Mutter, die ist zwar nicht begeistert weil inzwischen ziemlich Wind aufgekommen ist, aber sie kommt dann auch mit. Erneutes Telefonat mit dem Sea-Taxi zwecks Vereinbarung eines Abholzeitpunktes. Nein, nein, da hätte ich ihn falsch verstanden - 50 Euro ist oneway. Also hundert hin und zurück. Hundert Euro. Das ist mir dann doch zu viel - auch meine Nissomanie hat Grenzen (wobei mir ja auch solche Extrem-Kurztrips nicht zusagen). Ich werde schon irgendwann irgendwie nach Kastos kommen. Der Sea-Taxi-Fahrer bekommt eine Absage, und dann sitzen wir halt auf der Terrasse herum und sind unzufrieden. Oder ich bin es.

 

Ob wir nicht zu dem langen Strand namens Mirtia östlich des Ortes wandern sollen, wo die Kajak-Fahrer waren? Dürfte nicht so weit sein. Wir gehen durch den Ort auf der Straße nach Episkopi. Ein, zwei Abzweigungen hinab zur Küste enden an privaten Anwesen. Inzwischen sind wir schon ziemlich weit östlich, und das schwüle Wetter - der Wind hat aufgehört, das Wetter wechselt minütlich - schlaucht die Mutter. Sagte ich schon, dass es blöde ist, dass es keine Landkarte von Kalamos gibt?

 

Wir drehen wieder um und fragen eine Mann, der an einem Haus arbeitet. Zum Strand? Er guckt uns mit diesem Ausdruck im Gesicht an, der besagt "arme Irre", und meint dann, wir sollen geradeaus gehen, und dann bei einer Laterne links hinab. Wir gehen weiter, suchen herum (Laternen hat es hier einige), und finden weit und breit keinen Strand. Er hat wohl den Agrapidia-Strand gemeint (da muss man aber ziemlich lange geradeaus gehen...), und wie wir am nächsten Tag bei der Passage mit der Fähre merken werden, hätten wir zum gewünschten Mirtia-Strand der Straße ungefähr noch zweihundert Meter weiter nach Osten folgen müssen und dann bei einem großen Anwesen rechts abbiegen müssen.

Blödes Kalamos.

Wir kehren frustriert am Hafen in der Café-Bar "Il Panino" ein und bestellen Crêpes mit Käse und Ei. Lecker, und sehr reichhaltig. Dazu ein Ouzo, und die Laune steigt wieder. Da kommt ja schon die Fähre - so früh, da wird sie heute keinen Abstecher nach Episkopi gemacht haben. Ist vielleicht nur eine Bedarfshaltestelle. Gut, dass wir heute nicht nach Episkopi gewandert sind.

 

Den späteren Nachmittag - die Sonne scheint nun wieder - verbringen ich dann eben wieder an "meinem" Strand bei der Windmühle, und wundere mich, warum ich geglaubt hatte, einen anderen suchen zu müssen - der hier ist fast perfekt (für einen Kieselstrand). Weshalb mein Liegeplatz auch sofort von zwei Männern (sicher Segler) okkupiert wird nachdem ich ihn aufgegeben habe.

 

Wir müssen packen, und morgen früh aufstehen. Die Fähre nach Mytikas fährt schon um 6.50 Uhr ab, und Panos verspricht, uns um 6.30 Uhr zum Hafen zu bringen. Das wird ein langer Tag, denn unser Rückflug startet erst am späten Nachmittag.

Und dann wäre da noch die Abendessensfrage, die sich hier auf Kalamos zunehmend schwierig gestaltet. Eigentlich sind wir noch satt vom Mittag, und zu "George" wollen wir nicht mehr. Souvlaki und Loukanika sind mir auch zu heftig. Wir drehen eine Runde durch den Ort und sehen, dass die drei Männer beim Haus neben dem Bäcker inzwischen den ganzen Garten mit Steinplatten gefliest haben, und den Sockel des Hauses. Wow - wir sind beeindruckt. Und dann heißt es immer, die Griechen wären faul... Wobei - stopp: das sind ja gar keine Griechen. :-)

 

Im Kafenio "Tripouda" an der Platia gibt es ja auch eine Kleinigkeit zu essen, und heute, am Freitagabend, sitzen hier generationenübergreifend die Männer des Dorfes. Wir entern einen Tisch mitten auf der Platia und fragen den immer noch mäßig freundlichen Wirt nach einer Kleinigkeit zu essen. Er können uns eine Pikilía machen, einen Teller mit verschiedenen Kleinigkeiten. Ja, das passt, und noch einen halben Liter Wein dazu. Was dann kommt, ist ein gepflegter Teller mit Gegrilltem, Käse, Tomate und Gurke, der später inklusive Wein mit lächerlichen acht Euro auf der Rechnung stehen wird.

 

Aber was viel schöner ist: hier sitzen wir mitten am Nabel des abendlichen Dorflebens. Es wird Tavli gespielt, später wird zum Kartenspiel gewechselt. Mopeds knattern vorbei, die Fahrer halten für ein Schwätzchen, oder setzen sich dazu für ein Bier. Männer kommen und gehen, es wird diskutiert. Echtes griechisches Dorfleben abseits des Tourismus - fast fühlen wir uns wie Voyeure. Immerhin setzt sich auch eine Frau an einen Tisch, sie wirkt etwas behindert und hat ein offenbar wichtiges Gespräch mit dem Wirt. Wir werden sie morgen auf der Fähre wiedersehen.

 

Lange sitzen wie so, ehe wir uns für den Absacker-Tsipurro zum Hafen in das Panino-Café begeben. Hier unten ist heute wenig los - morgen ist Samstag und damit Charterwechseltag für die Segler in Lefkada. Da sind die meisten schon dort. Auch für uns ist morgen der Heimflug angesagt. Die Ionischen Inseln haben uns nicht enttäuscht, aber ein bißchen fehlt mir die Ägäis schon.

Irgendwie ist Ionien Griechenland light....

 

*

 

Früh um sechs müssen wir aufstehen. Die Sonne ist noch nicht zu sehen, sendet aber ihr erstes Licht auf dramatische Wolken. Pünktlich um halb sieben verlädt Panos uns und unser Gepäck in sein Auto. Er muss auch nach Mytikas, und wird es nicht zulassen, dass wir bis dort unser Gepäck selbst tragen. Das Zimmer haben wir gestern schon bezahlt, und unaufgefordert eine Quittung bekommen. Es ändert sich doch etwas in Griechenland. Langsam, aber doch.


Überraschend viele Insulaner wollen heute aufs Festland, wir warten im noch geschlossenen Panino-Café auf die leicht verspätete Fähre. Keine langen Ablademanöver heute (die Fahrt von Mytikas ist ja auch nur eine Überführungsfahrt ohne Passagiere), und um kurz vor sieben Uhr verlassen wir Kalamos. Ein freundliche Insel, und wenn die Auswahl der Gastronomie etwas größer und weniger fleischlastig wäre, und wenn es eine Landkarte von hier gäbe - dann würde ich glatt mal irgendwann wiederkommen. Oder auf den Nachbarn Kastos - beides geht ja irgendwie nicht.

Wir können jetzt sehen, dass der gestern gesuchte Strand weiter östlich liegt als gedacht. Und dass man die Straße vom Boot aus auch dann nicht sieht wenn man weiß, dass sie da ist. Über Episkopi erreichen wir Mytikas um halb acht.

Nun bin ich gespannt, ob der Bus wirklich kommt.

Nein, er kommt nicht - er steht schon da und wartet, und lässt mir so gerade noch Zeit für ein Foto vom Ufer von Mytikas mit den dunkeln Bergen von Kalamos im Hintergrund.

Dann geht es los, entlang der Küste nach Nordwesten bis Paleros und dann weg vom Meer nach Vonitsa. Eine tolle Landschaft!

Der Bus ist gepflegt und klimatisiert, die Fahrt kostet pro Person drei Euro 60 bis Vonitsa. In der Gegenrichtung fährt der Bus übrigens bis Athen. Landwege sind uns nahezu unbekannt, wäre öfters mal eine Planung wert.

 

Etwas über eine Stunde dauert die Fahrt, dann erreichen wir die KTEL-Station Vonitsa, wo ich nochmals bestätigt bekomme, dass der Bus nach Preveza erst um 12.40 Uhr fährt. Unser Gepäck dürfen wir bei der freundlichen Schalterdame der KTEL unterstellen, kostenlos. Wir haben den ganzen Urlaub nur sehr freundliche Begegnungen mit Einheimischen gehabt, resümiere ich. Keine Spur von Deutschenfeindlichkeit.

Jetzt haben wir vier Stunden Zeit in Vonitsa, einem netten Städtchen, das am Ambrakischen Golf liegt. Erst mal wird an der Paralia gefrühstückt, wo um diese Zeit noch nichts los ist. Gemächlich richten sich die Cafés und Bars auf den Vorsaisontag ein, ein paar Touristen passieren zu Fuß und im Wohnmobil.

 

Dann wollen wir die venezianische Festung besichtigen, die auf einem Hügel über dem Hafen liegt. Aber die ist geschlossen - keine Öffnungszeiten zu sehen. Dabei wurde sie erst für viele Euros (auch aus EU-Geldern) renoviert, bescheinigt ein blaues Schild.

Aber von hier oben sehen wir, dass im Ambrakischen Golf etwa einen Kilometer östlich der Stadt eine waldige Insel mit einer Kapelle liegt, die durch eine lange Natursteinbrücke mit fünf Bögen mit dem Festland verbunden ist.

Dorthin spazieren wir, entlang des Strandes, vorbei an einer Marina mit Baustelle und einem campinplatzartigen Waldstück. Zwei deutsche Wohnmobile stehen unweit eines kleinen runden Bootsanlegeplatzes. Die Wäsche, die zwischen zwei Bäumen hängt, gehört aber eher nicht zu ihnen: rosa dominiert - das passt irgendwie nicht.

 

Über die robuste, auf und ab schwingende Brücke gelangen wir auf die Insel. Ein Mann streicht die von Bäumen umstandene Kapelle, die dem heiligen Nektarios geweiht ist (seit einem Besuch des gleichnamigen Kloster auf Patmos wissen wir, dass dieser Heilige gerne einsamen Nonnen bei der Gartenarbeit hilft ;-) ). Die Kirche ist geöffnet, letzte Gelegenheit, eine Kerze anzuzünden.

Dann kommen wir mit dem Mann ins Gespräch, der die Kirche streicht. Er beginnt, auf Schäuble und Merkel zu schimpfen, und obwohl ich die Beiden noch nie gewählt habe und auch keineswegs einverstanden bin mit deren Politik (und was musste ich mich diesen Sommer erst über sie ärgern!), bin ich dieses grob vereinfachende Lamento leid und widerspreche dem Mann, der allerdings arbeitslos und nicht mehr jung ist, und die Kirche aus eigenen Mitteln und unentgeltlich streicht. Wir kommen in eine Diskussion, in der meine Griechischkenntnisse an ihre Grenzen stoßen, wir uns aber am Schluss versöhnlich und respektvoll verabschieden - er sogar mit Handkuss! Vielleicht erwirbt man sich unter Griechen mehr Respekt, wenn man nicht nur den Kopf einzieht und sich einschleimt. Und offensichtlich freut man sich über jeden Menschen, der im schönen Griechenland urlaubt, auch wenn er aus Deutschland kommt. Noch dazu, wenn der sich die Mühe macht, etwas Griechisch zu erlernen.

Pünktlich sind wir zurück an der KTEL-Haltestelle, wo jetzt erstaunlich viele Busse abfahren, wir die Tickets nach Preveza kaufen (€ 3,20) und die hilfsbereite Schalterbeamtin uns auf den richtigen Bus verweist. Die Weiterfahrt dauert nicht so lange, und weil wir viel zu früh am Flughafen wären, haben wir vorher beschlossen, noch in Preveza etwas zu bummeln und etwas zu essen.

Leider habe ich versäumt, mir vorher einen Stadtplan von Preveza anzusehen, und so erleben wir eine Überraschung, als die Stadt nicht nur wesentlich weitläufiger ist als gedacht, sondern auch der Busbahnhof ein gutes Stück außerhalb des Zentrums liegt. Und warm ist er jetzt wieder.

 

Was nun tun? Wir können im Busbahnhof wieder kostenlos unsere Trolleys unterstellen und nehmen dann für fünf Euro ein Taxi in die Innenstadt. Die ist hübsch und kann mit zahlreichen Läden aufwarten, entlang der Uferpromenade zur Golfseite liegt Segelyacht an Segelyacht gegenüber von Café an Café, alle gut belegt. Keine Spur von Krise. Die Hauptkirche des heiligen Charalambos ist geöffnet und sehenswert. Aber wir sind müde, und so steuern ein Lokal namens "O Kaixis" an, das in einer schmalen Gasse liegt und passables Essen bietet. Wirklich hungrig sind wir aber nicht, und so bleiben Zucchiniküchlein übrig. Die zahlreichen Katzen würden sie schon nehmen, werden aber vom Kellner mit einer Wasserpistole vertrieben. Nach zwei Wochen griechischer Küche fängt sie an, uns zu widerstehen. Gut, dass der Urlaub dem Ende zugeht, bevor es eine Überdosis Griechenland mit anschließender GR-Unlust gibt?

So allmählich wird es Zeit, Richtung Flughafen aufzubrechen. Wir suchen nach einem Taxi, das uns zuerst zum Busbahnhof zwecks Abholung unserer Koffer, und dann zum Flughafen Preveza bringen soll. 25 Euro verlangt der geschäftstüchtige Taxifahrer dafür, den wir an der Stelle antreffen, wo wir vorhin ausgestiegen sind. Das ist viel für die fünf, sechs Kilometer, aber das Taxi muss zweimal den mautpflichtigen Tunnel unter dem Ambrakischen Golf passieren, was jeweils mit drei Euro zu Buche schlägt. Trotzdem zu viel, aber wir akzeptieren müde.

 

Der geschwätzige Taxifahrer hat dann auch noch einen Bruder in Erfurt, der dort ein Lokal hat, und überhaupt quatscht er uns ziemlich zu. Als er dann am Flughafen auch noch zwei zusätzliche Euros "für das Gepäck" kassiert weil er kein passendes Wechselgeld hat, beschließe ich, dass ich seine mir aufgedrängte Visitenkarte nie wieder brauchen werden, und verliere sie im Flieger.

 

Es sind noch zweieinhalb Stunden bis zum Abflug - Zeit, sich dem letzten Spieltag des Fußball-Bundesliga und dem hoffentlichen Nichtabstieg des VfB zu widmen. Nervenaufreibende eineinhalb Stunden, in den die VfBler zwischen Abstiegsplatz und Nichtabstiegsplatz oszillieren. Einchecken können wir schnell, der Duty-Free-Shop bietet unverändert nur wenig Attraktives. Es ist aber mehr Flugverkehr als vor ein paar Jahren.

Und als wir gerade den Flieger betreten, ist der Spieltag beendet und der Kassenerhalt geschafft (zumindest für die Stuttgarter. Dass es leider die Freiburger noch erwischt hat, erfahren wir erst in Stuttgart).


So gibt es einen schönen Rückflug, der uns noch einen Blick auf die Diapontischen Inseln nördlich von Korfu ermöglich ehe wir über das Wolkenmeer aufsteigen.

Meganisi - Ithaki - Kalamos - ein netter Urlaubs-Dreierpack. Und schlimm war es gar nicht in Ionien. ;-)

Trotzdem werden wir der Ägäis nicht untreu werden. Der "richtigen" Seite Griechenlands... :-)



- telos -