Deftera tou Pascha

Schon um kurz nach neun Uhr sind wir auf den Beinen und setzen mit einem der kleinen Fährboote nach Galatas über. Die Boote liegen an der Platia Iroon bei unserem Hotel, man sieht an der offenen Türe welches als nächstes fährt. Nachdem wir als erste an Bord gegangen sind wartet der Chauffeur noch zehn Minuten, es kommen noch zwei Leute, dann fährt er los. „Taxiarchis“ heißt unser Boot, die Überfahrt kostet einen Euro und dauert keine fünf Minuten, dann sind wir drüben in Galatas.

Es hat eine kleine Promenade mit einem oder zwei Cafés, und etwas westlich des Anlegers fährt gerade ein Bus weg. Das ist aber ein Reisebus. Einen Fahrplan sehen wir nirgends. In einem (geschlossenen) Büro steht etwas von Buszeiten, demnach fährt eventuell um 11.30 Uhr ein Bus nach Epidavros, das ist in zwei Stunden. Wann einer zurückkommt? Keine Ahnung. Heute ist ja auch noch Feiertag. Ich war schon mal in Epidavros, bei meiner ersten Griechenlandreise vor über zwanzig Jahren. Ist schon imposant, aber muss jetzt auch nicht auf Teufel komm raus sein. Sonst könnten wir auch ein Auto mieten, ein Werbeschild preist eines ab zwanzig Euro an.

 

Ach nein, dann frühstücken wir jetzt erst mal, sehen uns Galatas an, und am Nachmittag gibt es auf Poros auch noch genug unbekannte Ecken zu entdecken.

 

Im Café an der Paralia bekommen wir Frühstück, Nescafe, Marmelade, Honig, Butter, Brot, Spiegeleier, zusammen für fünfzehn Euro. Es wird auch allmählich lebendiger im Ort, die Nachbartische füllen sich mit Einheimischen. Schön ist der Blick hinüber nach Poros.

Als wir später durch die Gassen von Galatas schlendern, stellen wir fest: das ist ein ödes Kaff, und das Schönste dort ist der Blick nach Poros. Der Ort ist lebendiger als beispielsweise Methana, aber ohne jegliches Gesicht, betondominiert und unaufgeräumt. Schön soll ja der Zitronenhain weiter südlich sein, aber der liegt ein paar Kilometer außerhalb. Zu weit zu Fuß.

Der Pappas macht die Türe der Hauptkirche direkt vor meiner Nase zu.

Na gut, dann setzen wir eben wieder über nach Poros.

Es geht doch nichts über Inseln…

Um dreizehn Uhr möchten wir nun mit dem Bus nach Neorio, und wenn möglich, weiter zur sogenannten russischen Werft fahren. Dort irgendwo baden, und dann entlang der Küstenstraße zurück nach Poros-Stadt. Es ist ganz schön warm, um die dreißig Grad. Die sommerlichen Temperaturen sollen erst am Mittwoch nachlassen.

 

Allerdings fährt jetzt nur ein Bus zum Kloster – der andere würde Pause macht, bescheidet mir dessen Busfahrer. Na gut, dann nehmen wir eben ein Taxi. Die Preise sind am Taxistand angeschrieben – fünf Euro fünfzig bis zur „Russian Bay“, das ist erschwinglich - Poros ist ja nicht groß.

 

Zehn Minuten später stehen wir an der Bucht. Früher – von 1834 bis 1900 – war hier ein Stützpunkt der russischen Flotte. Die nicht wirklich schöne Backsteinruine eines Werftgebäudes hat man 1989 unter Denkmalschutz gestellt – weil sie architektonisch und historisch von Interesse ist. Na, und nun gammelt sie eben abgezäunt vor sich hin. Eine andere historische Sehenswürdigkeit auf Poros ist übrigens der Poseidon-Tempel im Inneren der Insel – aber da soll es außer ein paar Fundamenten nichts Besichtigenswertes geben. Sparen wir uns (und ja, auch das archäologische Museum in Poros-Stadt sah immer geschlossen aus wenn wir vorbeigekommen sind. Feiertage. Vorsaison. Den pirazi.)

 

Der Strand ist von mäßiger Qualität, das Meer am Ufersaum schäumt obwohl es keine Wellen hat. Zwei große Bäumen bieten etwas Schatten, oder man mietet Schirme samt Liegen. Damit man nicht verhungern muss gibt es eine geöffnete Kantina. Ziemlich gut belegt, das Ganze. Zu gut für unseren Geschmack. Und ohne Schatten geht es heute nicht - die Sonne knallt herab wie im Hochsommer. Am fünften Mai.

 

Ich gehe auf der Straße bis zur nächsten Bucht vor, die ist leer, aber gänzlich schattenlos. Eine Handvoll Segelboote ankern dort – die Russen von gestern? Oder schlafen die noch ihren Rausch aus?

Ganz am Rande hat es einen schattigen kleinen gemauerten Sitzplatz und Anleger, der wäre gut. Wie ich gerade die Mutter nachgeholt habe, ist der Sitzplatz aber von den Bewohnern einer nahegelegenen Villa besetzt worden. Mist!

 

Apropos Mist – was stinkt hier denn immer wieder so übel schwefelmäßig nach Gülle? Poros ist zwar auch vulkanischen Ursprungs, aber von hiesigen Fumarolen ist mir nichts bekannt. Und dann fahren auch ständig Tank-LKW auf der Küstenstraße hin und her. Heute am Ostermontag. Komisch.

Wir werden schon noch ein schattiges Badeplätzchen finden. Werfen wir noch einen Blick zur vorgelagerten Insel Daskalio mit einer langgestreckten Kapelle darauf, und wandern auf der waldigen Küstenstraße nach Osten. Da kommt jetzt das Λιμανάκι της Αγάπης, das Liebes-Häfchen. Romantisch soll es da sein, verspricht die Website http://www.poros.com.gr/ , wegen der schattigen Bäumen. Dass es dort Strandliegen und Schirme gibt haben wir schon von der Fähre aus bei der Passage nach Methana gesehen. Jetzt aber sind die nicht nur alle belegt (der Strand ist ja nicht lang, vielleicht dreißig Meter), sondern natürlich hat es auch dort eine Imbissbude, Musikbeschallung und (Sonnen-)Badende zuhauf. Es geht ungefähr so zu wie in einem Freibad an einem hochsommerlichen Ferientag in einer süddeutschen Kleinstadt (samt Parkplatzproblemen). Nein danke!

 

Wir gehen etwas weiter und entdecken nach fünfzig Metern eine schmale Treppe, die zum Ufer und einem kleinen Anleger hinab führt. Da hat es nicht nur drei Meter Sand-Kiesstrand, sondern auch – niemanden! Griechen sind halt gerne in parea, sprich: sie sind dort wo alle sind, und wo es poli kosmo hat. Unser Glück.

Beim Einstieg hat es zwar ein oder zwei Seeigel, aber die lassen sich gut umgehen. Das Meer kann auch hier mit 22 Grad Celsius auftrumpfen.

Herrlich!

So erfrischt können wir auf der heißen Straße weiter. Und gelangen zum Strand von Megalo Neório. Weitläufig (für poriotische Verhältnisse), flach, sandig-kiesig, klares Wasser. Ein Wassersportzentrum. Aber keine Badenden. Dafür wissen wir jetzt wo der dauernde Kloakengestank herkommt: Im Scheitel der Bucht ist offenbar eine Fäkaliengrube übergelaufen. Die Straße ist überschwemmt, die stinkende Brühe wird in Tankwagen abgepumpt, die diese dann zur Kläranlage am westlichen Ende von Poros bringen. Für die anliegenden Hotel- und Tavernenbesitzer ein Super-Gau am Ostermontag! Ein Polizist dokumentiert die Schweinerei mit seinem Fotoapparat. Und wir sehen, dass wir weiterkommen!

 

Oberhalb der Straße hat es ein paar schöne Villen, deren Dächer meist nur über den Wipfeln der Aleppo-Kiefern herausgucken. Wir passieren das chice Xenia Poros Image Hotel – gleich fünf geputzte Grills zeugen vom gestrigen österlichen Gelage. Aber das Hotel liegt sehr schön, man hat einen herrlichen Blick auf die Bucht von Poros und die Stadt selbst. Und natürlich einen eigenen Strand und Anleger. Ein Blick auf die Website zeigt: schon ab 35 Euro gibt es das Doppelzimmer in der Nachsaison, unter der Woche, und mit amerikanischem Frühstück für 39 Euro. Bei rechtzeitiger Buchung und Nutzung der Angebote. Nicht schlecht. Nur zu Fuß immer etwas weit bis Poros-Stadt.

Zu Beginn des Ortes Mikro Neorio lockt eine Taverne direkt am Ufer: „Aspros Gatos“ heißt sie, weiße Katze. Die Terrassenplätze sind fast alle belegt, wir bekommen gerade noch einen Tisch, bestellen Dakos und Skordalia ein – lecker! Dazu der schöne Blick auf das Binnenmeer und Poros mit der Marineschule – ja, kann man aushalten.

Direkt vor uns legt jetzt eine griechische Motoryacht an, der Kellner hilft beim Verzurren der Leinen. Man hat sich offensichtlich angemeldet. Wann hat man am Ostermontag schon mal so ein Wetter? Da lohnt die Spritztour von Athen, oder sonst woher.

 

An zwei Dreirädern vorbei geht es dann über die Oberstadt (keine Festivität an der Agios-Giorgos-Kirche) zurück nach Poros-Stadt. Wir müssen ja noch packen.

Natürlich gönnen wir uns auch heute den Ouzo an der Platia, und es ist so viel los wie an den letzten Tagen. Oder sogar noch mehr. Wir genießen die einzigartige Atmosphäre. Die Mezedes zum Ouzo müssen wir uns verheben, sonst sind wir zu satt für das spätere Essen im „Karavella“. Hühnchen in Zitronen-Sahne-Sauce – nostimo! Einen Tsatsiki und einen Viertelliter Rosé gibt es aufs Haus – aber nicht nur deswegen ein empfehlenswertes Lokal.

 

Wir liegen schon im Bett (müssen ja morgen früh raus), da kommt von irgendwoher laute Musik vom Typ Alleinunterhalter mit Keybord. Sie wird bis morgens um vier Uhr andauern. Doch noch ein Georgsfest? Oder nur die nachösterliche Party in einem Club? Die Instrumentalisierung zieht mich nicht aus dem Bett, und irgendwann wiegt uns der Klang doch in den Schlaf.

 

Um halb sechs klingelt der Wecker.

Weiterfahrt, zunächst nach Aegina.