Ost-ermontag

 

Am Ostermontag regnet es - wir müssen drinnen frühstücken. Zum Trost haben wir den köstlichen Osterzopf von Maria. Auch wenn gelegentlich die Sonne rausguckt - eine größere Wanderung geht heute nicht (ich wäre ja gerne Richtung Korakas). Wir hängen unentschlossen rum.

 

Die Fähren sind pünktlich um sechs Uhr abgezuckelt, wir haben sie kaum gehört. Aber jetzt kommt von unten liturgischer Gesang, und wir sehen eine Prozession entlang der Paralia ziehen. Sechs Jungs in Kirchengewändern voraus, dann zwei Männer mit einer Ikone, der Papas im Kreis von Anzugträgern und die beschirmte und singende Gemeinde mit etwas Abstand hinterher. Das ist ja mal wirklich eine aktive Kirchengemeinde!

Aber heute ist Agios Georgios, und weil die Hauptkirche in Rachidi den Schorsch als Namenspatron hat, ist man schon wieder auf den Beinen. Ob sie auch wieder bis drüben in Xilokeratidi waren?

 

Vorne am Fähranleger dreht der Prozessionszug um, biegt dann wieder in die hintere Gasse ab, hält kurz an der Kirche Panagia Katapoliani an, und kommt dann wieder an der Platia heraus. Ich folge ihm bis zur Kirche, wo die fehlenden Aufbauten darauf hindeuten, dass es sich um eine rein kirchliche Feier handelt, ohne Tanz und Essen. Das muss man verstehen, schließlich wurde gestern schon ausgiebig gefeiert.

 

Und was ist mit dem Kloster Agios Georgios Valsamitis, auch eine Georgsstätte? Morgen, sagt der Liturgiefahrplan, der an der Kirche hängt. Da brauchen wir dann heute nicht hin. Was also nun?

Der Regen hat glücklicherweise aufgehört, und wir haben Lust auf das nette Dorf Langada, packen Schirm, Wander- und Badezeug ein und fahren über Chora auf der Bergstraße in den Inselosten.

 

Und weil ich auf der Terrain-Landkarte gesehen habe, dass die Straße zu dem Weiler Asfondilitis inzwischen asphaltiert sein soll - was sich als richtig erweist - biegen wir vor Agios Pavlos dorthin nach rechts in ein Hochtal ab, ein Abstecher von ein, zwei Kilometern. Vor einem Gatter parken wir das Auto und gehen zu Fuß nach Asfondilitis, für das der Ausdruck 'Weiler' schon zu groß scheint: eine nette Kapelle (heute leider abgeschlossen), ein paar einfache Bauernhäuser - so kenne ich Asfondilitis von den Inseldurchwanderungen. Aber die Straße hat auch hier für Aufschwung gesorgt: am Orteingang gibt es inzwischen ein kleines Café namens "To Steki tou Machaira". Die Tische sind gedeckt, aber trotzdem sieht es zu aus, wie der ganze Weiler von Menschen verlassen scheint. Nicht aber von Tieren: Hühner, Esel und Mulis verteilen sich auf den steinigen Feldern der Hochebene. Ein Weinberg, ein Getreidefeld und Feigenbäume setzen grüne Akzente, überall blüht es.

 

Eigentlich ist das ein wirklichschönes Plätzchen, und man könnte auf der Stelle Lust bekommen, nach Egiali zu wandern - ab hier ist es das interessanteste und aussichtsreichste Wegstück. Aber die Regenwolken drohen, und wir müssten ja auch wieder zurück wegen des Autos. So schlendern wir zwischen Natursteinmauern, zahlreichen Zisternen, gelbem und rotem Mohn, aufblühendem Ginster und violetten Glockenblumen umher, sprechen einem neugierigen Esel gut zu, und sehen aus der Ferne, dass an der Kapelle jemand sein Grautier belädt: Es ist also doch jemand da.

Und außerdem - ich bin das dritte Mal hier, aber heute nicht auf die Suche nach dem weiteren Wanderweg fokussiert - sehe ich plötzlich die witzigen Felsenritzungen unbekannten Ursprungs, die ich früher weiter abseits des Ortes gesucht hatte. Nein, sie sind nicht prähistorisch (1916, 1917 und 1920 ist zu lesen), aber originell: Menschenfiguren einzeln und in Gruppen, mit Geigen oder Gefäßen.

Zurück Richtung Hauptstraße sehen wir ein weißes Schiff die Insel Nikouria passieren: zur klein für einen Kreuzfahrer, zu groß für ein Privatboot. Es muss eine Fähre sein, und zwar die "Aqua Spirit", Ex-NEL, auf ihrer Jungfernfahrt für Seajets. Ein Blick durchs Fernglas bestätigt die Vermutung. Nur einmal in der Woche, nämlich montags um 13.40 Uhr (das war schon früher mit der "Aiolos Kenteris" so) fährt das Schiff Amorgos an, die brandaktuelle Verlautbarung hängt an den Ticketbüros in Katapola. Die Fährverbindung für Spätaufsteher.

 

An Egiali vorbei fahren wir nach Langada hinauf, parken am Ortsende und gehen in den Ort hinein. Weit kommen wir nicht, denn die Taverne "Machos" ist geöffnet und wir haben inzwischen Hunger - es ist kurz vor zwei Uhr mittags. Wir bestellen Fava und Loukanika und bekommen jeweils eine überreichliche Portion, die uns restlos sättigt. Der Platz ist einfach hübsch zum Sitzen und gucken. In der Nachbartaverne werden frische Blumen auf den Tischen dekoriert, und im Mini-Markt ist auch immer etwas los.

Nun müssten wir uns nur noch etwas bewegen. Eine kleine Runde zum Weiler Stroumbos wäre genau das richtige. Nicht weit, aber ein paar Höhenmeter sind schon zu bewältigen.

Es gibt nordöstlich von Langada sehr viele verzweigte Wege, gut, dass die Terrain-Karte hier einen detaillierten Ausschnitt hat. Also Wanderschuhe an, Schirm eingepackt - es tröpfelt gerade wieder etwas - und auf der Betonpiste nach Osten aus dem Ort heraus. An der nächsten Kreuzung dann links, wir wollen nicht über die Kapelle Panagia Epanochoriani, sondern über Dris. Eine griechische Wandrerin sucht den Weg nach Tholaria, ich zeige ihr die kürzeste Variante auf der Karte und sie eilt davon. Wir machen es lieber gemütlich.

Die Blütenstände des Gemeinen Drachenwurz verbreitet ihren aasigen Gestank überall. Der Weg schlängelt sich unterhalb der Häuser von Stroumbos durch eine wirklich schöne Landschaft mit roten Wolfsmilchbüschen bergab, wo es bei der Quelle Dris sogar ein kleines Zedernwäldchen gibt.

 

Nun wieder aufwärts, auf einem schmaleren und leicht zugewachsenen Weg, und dann sind wir auch schon in Stroumbos.

Der Weiler liegt auf einer Felsennase zwischen zwei orchideenblühenden Schluchten und war weitgehend verlassen. In den letzten Jahren wurden einige der Häuser von Inselliebhabern stilvoll und -gerecht renoviert. Das ist auch wirklich ein wunderschönes Fleckchen Erde hier, nur muss man alles was man braucht auf einem steilen Treppenweg von Langada hertransportieren, es gibt keine Straße. Preis des Paradieses.

Aber Mobilfunkempfang gibt es: eine Frau telefoniert auf einer Terrasse auf Französisch. Sonst sehen wir niemanden.

Etwas abseits liegt die blumengeschmückte Kapelle Agios Nikitas, und von dort ist es nur noch ein Steinwurf nach Langada. Ein mühsamer Steinwurf aber, denn der Weg führt zuerst hinab ein Tal, und dann über breite gepflasterte Treppen auf der anderen Seiten hinauf ins Dorf, wie man von hier aus gut sehen kann.

Da kommt man auch ins Schwitzen, auch wenn es nicht so warm ist.

Der Blick hinaus ins Tal ist wunderschön, die Farben Gelb, Grün, Blau, und im Meer darüber scheint die Insel Nikouria zu schweben. Ein weißes Muli betrachtete uns am Ortseingang neugierig und veranlasst uns (die Mutter) zu einem Umweg. Trotzdem kommen wir wieder im oberen Ortsteil raus - ich wäre gerne noch durch Langada gegangen, aber die Stufen und das feuchte Wetter haben auch mir zugesetzt. Vorsicht, hier dient der Weg als Katzenklo!

Für eine Erfrischung fahren wir nun nach Egiali hinab, wo es außerdem beim Bäcker einen köstlichen Rakomelo zu kaufen gibt (dagegen wirkt der kretische wie verdünnt) - acht Euro die Literflasche. Die Cafés über die Küste liegen in der Abendsonne und sind gut besucht, die Preise an der Grenze zum überteuerten. Und dabei stinkt es hier unangenehm nach Kanalisation.

 

Für ein paar Panoramafotos machen wir anschließend einen Abstecher nach Potamos hinauf ehe wir dann den Strand von Agios Pavlos ansteuern, weil ich gerne noch mein Badeklamotten zum Einsatz bringen würde.

Allerdings ist es schon sechs Uhr geworden, und ein kalter Wind pfeift über die schmale Landzunge des Agios-Pavlos-Strandes als wir dort parken. Ich hole trotzdem unverdrossen das Badezeugs aus dem Auto und steuere auf den Kiesstrand zu.

Wenn jetzt niemand da wäre, würde ich schnell ohne Klamotten ins Meer hopsen, aber eine Gruppe Griechen sitzt etwas weiter drüben am Ufer. Ich kann mich nicht aufraffen, mich umzuziehen: zu kühl. Das Meer hat sicher nicht mehr als 18°C, und die Luft kaum mehr. Gut, muss nicht sein. Es kommen bestimmt noch bessere Badegelegenheiten in diesem Urlaub.

Die Abendbeleuchtung ist wunderschön, der blanke Felsen erstrahlt in Ocker, das Meer in Türkis, und die tiefstehende Sonne wirft neben nahe Insel Nikouria einen silberne Streifen darauf. Mutter ist schon wieder im Kieselsammelrausch, und bizarre Schwemmhölzchen hat es auch.

An der Bergspitze des Profitis Ilias fegen die Wolkenfetzen vorbei, und der näher liegende, felsige Bergkegel unbekannten Namens sieht düster aus. Die unverputzten Häuser des wie ein breiter Riegel davorliegenden Hotels "Aqua Petra" verstärken den abweisenden Eindruck, aber das täuscht: die weitflächige Anlage ist wirkt gepflegt, und die zahlreichen abgestellten Autos auf dem Parkplatz lassen auf guten Besuch schließen. Sicher nicht billig, hier zu nächtigen, und in der Vorsaison eh zu abgelegen.

Es wird Zeit, nach Katapola zurückzukehren. Auf der Höhenstraße muss man nun wieder auf die zahlreichen Ziegen aufpassen, die sich diese als bequemen und warmen Abendaufenthaltsort ausgesucht haben. Und die Chora im Abendlicht muss natürlich auch noch fotografiert werden.

Um halb Acht gebe ich das Auto bei "Thomas" zurück, alles bestens. Das Benzin für zehn Euro hat nicht gereicht, wir haben am Vormittag noch für ein paar Euro nachgetankt.

So, und heute können wir mal wieder ganz normal essen gehen. Wir wählen die Taverne von "Capetan Dimos" an der Paralia neben dem "Corner" aus. Der Gastraum ist voll, aber auf der Terrasse finden wir noch einen geschützten Tisch. Nudeln nach Art von Amorgos (mit Kapern und Tomaten) und Hühnchen à la creme werden uns serviert und schmecken sehr gut. Am Nachbartisch sitzen zwei Männer, es sind die ersten Deutschen außer der bayrischen Segelcrew, die wir auf Amorgos sehen.

Na, alle, die nicht da sind, verpassen auf alle Fälle was.

 

Amorgos ist einfach schön, auch wenn es mal kühler ist und regnet. Und gut, dass wir um einen Tag verlängert haben. So haben wir morgen nochmals Zeit zum Wandern.