Paxos von Nord nach Süd

Die großgewachsene Engländerin mit der Modelfigur im Reisebüro von Planos Holidays ist ausgesprochen nett, wir erkundigen uns nach dem Ausflugsprogramm mit dem Boot (mittwochs und donnerstags mit der „Lefcothea“ ab Loggos je nach Wetter und Nachfrage um Paxos herum und nach Antipaxos), den Fährverbindungen nach Igoumenitsa (doch, es geht auch freitags ein Schiff, die „Pantassa“, die nicht bei gtp und Co. steht), einem möglichen Mietauto (ab 40 Euro!) und dem aktuellen Busfahrplan (er gilt weiterhin der alte Plan). Mhh, mal sehen wie wir die nächsten Tage planen

Heute wollen wir richtig wandern, und zwar anhand der Tour 31 des Rother-Wanderführers von Lakka nach Gaios, einmal Paxos Nord-Süd, vielleicht zehn Kilometer, 3,5 Stunden. Der Himmel ist strahlend blau, das Meer im Vergleich zu gestern fast glatt, und ich creme mich mit Lichtschutzfaktor 15 ein – man ist ja noch nix gewöhnt bei diesem ionischen Wetter. Der Bus kommt fast pünktlich um kurz vor elf, und zehn Minuten später sind wir in Lakka. Immerhin 1,80 Euro kostet die Fahrt pro Person, aber wir gewöhnen uns allmählich an die ionischen Preise. Bevor wir losziehen, noch eine schnelle Runde durch den nun belebteren Ort. Das Meer in der Bucht ist fast türkisgrün, Segelboote darin – ja, das hat was. Loggos gefällt uns aber trotzdem besser. Die Agios-Andreas-Kirche ist leider auch geschlossen, schade, wir finden einfach keine geöffnete Kirche um einmal eine Kerze anzuzünden.

Ein paar Meter folgen wir der Straße zum Leuchtturm bevor wir auf einem Stufenweg nach Süden abbiegen. Im Schatten der Olivenbäume wandert es sich gut, der Weg ist breit und alle hundert Meter von einer Kapelle gesäumt, mit Glocken mal in einem Baum, mal  an der Häuserwand. Mit verwunschen wirkenden, versteckten Häuschen, und mit einem Ape-Dreirad statt eines Esels – der Fortschritt... Die Grautiere sucht man vergebens auf Paxos, eine immer mehr aussterbende Spezies in Griechenland, wie schade.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreichen wir Vasilatika, einen Weiler. Nein, nicht mal mehr ein Weiler, nur noch ein Herrenhaus, das sogenannte „Venezianische Haus“, inzwischen vor dem Verfall wohl gerettet, sieht aber trotzdem verlassen aus. Dahinter auf terrassiertem Gelände ein Olivenhain (was sonst, wir sind auf Paxos), sieht fast so aus als würde man Mauern anpflanzen.... Wir versuchen, den im Wanderführer versprochenen Blick auf Korfus Südspitze zu erhaschen, sieht sehr entfernt aus.

Weiter nun an die Steillküste, die Paxos im Westen abschließt. Nur zehn Minuten, dann befinden wir uns an den Kastanida-Klippen, imponierende, helle Steilküste, etwa 120 Meter hoch, unten das blaue Meer, die Ypapanti-Bucht mit der gleichnamigen Grotte, in die im Zweiten Weltkrieg ein U-Boot regelmäßig abgetaucht sein soll. Die Grotte sieht man von oben nicht, vielleicht sollten wir doch ein Bootstour um die Insel machen. Wäre da nicht die akute Ausflugsbootallergie... Wer nicht schwindelfrei ist, sollte sich besser vom Rand der Klippen fernhalten, wir linsen nur vorsichtig in den Abgrund, an dem wir aber entlang müssen  - mit ausreichendem Sicherheitsabstand zum Glück. Einen Rastplatz nutzen wir zum Verzehr einiger Kekse und eines Colas, eine Eidechse ist überhaupt nicht schreckhaft und gewillt, sich bei ihrem Sonnenbad von uns stören zu lassen.

Frisch gestärkt wandern wir weiter – und stoßen nur wenig später auf die Taverne „Sunset“. Womit wir nun wirklich gar nicht gerechnet haben (und was auch der Wanderführer nicht erwarten ließ): die Taverne hat geöffnet. Solche Gelegenheiten soll man nicht ungenutzt verstreichen lassen, außerdem sieht der schattige und grüne Garten gar so einladend aus. Wir kehren wenigstens auf einen Choriatiki ein. Über dem Haus ragt eine Art Tribüne empor, der Logenplatz für den Sonnenuntergang, überragt die auf Paxos ständig die Aussicht versperrenden Bäume. Wir sollten abends nochmals wiederkommen, mit dem Mietauto eventuell, in den nächsten Tagen.

Nächster Etappenort ist Magaziá, das größte Dorf im Inselinneren. Die Hauptstraße durchpflügt den Ort, und das Wandern an derselben macht keinen Spaß, denn die Autos brettern so nahe vorbei, fast scheint es den Fahrern Vergnügen zu bereiten, uns zur Seite springen zu sehen. Die Bäckerei bietet „bäuerisch Brot“ an (die ebenso falsche, vermutlich französische Variante „village pain“ könnte man auch englisch als „Dorfschmerzen“ übersetzen), im, nein: beim  Kafenion findet gerade ein Aktion des paxischen Tierschutzvereins Paxos Animal Welfare Society PAWS statt – Katzen werden kastriert.

 

Die Wanderroute sieht eine Besteigung des höchsten Inselberges, des Megali Vigla vor (233 m). Der soll mal eine tolle Aussicht geboten haben (wie der Name sagt), aber: paxisches Schicksal – die Aussicht ist laut Wanderbeschreibung zugewachsen. Nur einige Sendemasten überragen die Botanik. Auf Sendemasten haben wir keine Lust, und bleiben deshalb unten. Nicht an der Hauptstraße, wegen des Verkehrs, sondern auf einem Mittelweg, der sich als Zufahrt zu edlen Landhäusern neueren Datum herausstellt. Mit Blick auf die Südwestküste (tatsächlich, es geht auch ohne Bäume) und das Meer. Den Campanile der Kirche von Agios Charalambos sieht man auch schon früh, ein Zwillingsbruder des Turmes von Ypapanti: schlank, beige, rote Mütze obendrauf. Kirche natürlich zu, aber davor das phantasievollste Flaschenrecycling, das ich je gesehen habe, zu einem Sockel zusammenzementiert.

Geschrei von Jugendlichen verdrängt die Ruhe, und ein Blick nach Süden erklärt, woher es kommt: Hier befindet sich ein riesiges Schulgelände, mit Sportplatz, Basketballfeld, Fußballplatz (Kunstrasen, natürlich, frischgrün). Ob schon die Kleinen hier her müssen, oder noch in den Orten unterrichtet werden? Das alte Schulhaus in Loggos haben wir gesehen, der Bus hält davor, und Konzerte des alljährlichen Paxos Festivals finden darin (Drin? Im Sommer? Oder davor? Keine Ahnung) statt.

Von Bogdanatika wollen wir den Weg nach Gaios abkürzen, auf einem Monopadi. Der Wanderführer weist darauf hin, dass es „einiger Aufmerksamkeit bedarf um den Weg nicht zu verlieren“. Nun, so vorgewarnt sind wir aufmerksam, bestimmt, aber wir verlieren ihn trotzdem. „Hinter einigen Zypressen und vor großen Brombeerhecken biegen wir auf einen anfangs schmaleren Pfad links ab“. Das war schon mal nix, und auch alle anderen Pfade enden irgendwann im Gestrüpp oder an Felsen, verlieren sich. Auch die Wanderkarte ist keine Hilfe. Zurück zur Straße, zweiter Versuch weiter nördlich, via Klonatika. Der Einstieg ist gut zu finden, vertrauensvoll folgen wir, auch als der Weg schmaler wird, und fast schon alpin steil bergab geht. Doch so hoch, die Insel... Vorne sehen wir wenigstens schon die Häuser von Gaios, so falsch können wir also nicht sein. Irgendwie stolpern wir über Stock und Stein, an Hund und Katz vorbei hinunter, landen an einer Straße ein Stück oberhalb von Gaios. Gaios ist größer als ich gedacht habe, und ich bin jetzt froh, dass wir unsere Zelte im deutlich kleineren Loggos aufgeschlagen haben. Rechts oder links die Straße lang? Keines von beidem, gegenüber weist sogar ein Schild den Weg treppab – was ein Luxus! Und durchaus beeindruckend auch die breite Treppe, wenn an den Kanten auch schon reichlich grün überwuchert.

Noch über eine Stunde haben wir unten an der Platia am Wasser nun noch Zeit, bis der Bus um 17.30 Uhr nach Loggos fährt. Ein schöner Platz mit italienischem Flair, und britisch angehauchten Bars. Die rosafarbene Analipsi-Kirche dominiert den Platz, überhaupt ist rosa hier schwer im Trend.

Der Uferpromenade gegenüber liegt die bewaldete, unbewohnte Agios-Nikolaos-Insel mit verfallenden venezianischen Festungsruinen, nur dreissig bis hundert Meter entfernt, was dem gebogenen Meerarm den Eindruck eines Flusses verleiht und einen wunderbar geschützten Hafen für unzählige Segelboote und Kaikis gibt.  Der Meerarm ist DAS Foto auf Paxos. Und das weiße Agios-Ioannis-Kapellchen leuchtet herüber. Sehr schnuckelig, das Ganze. Hinter der Agios-Nikolaos-Insel gibt es übrigens noch eine weitere Insel, die gleichfalls unbewohnte Panagia-Insel mit einer Wallfahrtskirche.

Es ist Siesta, und entsprechend ist der Ort ausgestorben, nur in einer Café-Bar bekommen wir ein kühles Getränk (Radler, was sonst?), auf den Nachbarsitzen (eher -pfühlen) räkelt sich die paxische (oder paxiotische?) Jeunesse Dorée. Kurz nacheinander kommen zwei Ausflugsboote von Antipaxos zurück, zuerst ein kleines, schnelles  Motorboot („the fastest boat to Antipaxi“), dann ein größeres Holzboot, gemächlicher. Wir erkundigen uns nach den Abfahrtszeiten, dann nach Antipaxos wollen wir natürlich auch in den nächsten Tagen, man hat schließlich eine Ruf als Inselsammler zu verteidigen. Das schnelle Boot fährt um 10 und um 11 Uhr, das langsame um 10 Uhr. Mit dem Bus ab 9.10 Uhr ab Loggos gut zu schaffen.

Wir suchen die Bushaltestelle, gehen die Uferpromenade bis nach Süden entlang. Das Volkskundemuseum ist geschlossen, natürlich, schade, auch Öffnungszeiten sehe ich keine. Das Quai wird abgeschlossen durch ein Bronzedenkmal – einen Mann mit einer Fackel in der Hand (Nein, es handelt sich hier nicht um die Freiheitsstatue!) Es ist der Freiheitskämpfer und deshalb Brandstifter Georgios Anemogiannis, der türkische Kriegsschiffe anzündete. Reichlich Grünspan hat er angesetzt.

Die Bushaltestelle befindet sich etwas im Inselinneren, bei der schiefen Kirche Agii Apostoli (zumindest laut Wanderkarte, manche Internetseiten nennen auch die Kirche an der Platia nach den heiligen Aposteln). Der Bus steht schon da, aber drinnen ist es brüllend heiß, da warten wir lieber draußen. Pünktlich um halb sechs fährt er los, für die etwas längere Fahrt nach Loggos (gut 20 Minuten, über Zenebisatika, Magazia und Fontana) werden pro Person 2,50 Euro fällig – da ist das Taxi mit zehn Euro eigentlich günstig.

Heute ist das Wetter so schön, dass wir den Abend auf dem Balkon genießen könnten – wenn das nicht die Stechmücken wären, die über uns herfallen. Wir ignorieren sie nach Kräften.

 

Essenstechnisch testen wir heute die Alternative „O Nasos“ – ich nehme Sofrito, die ionische Spezialität (sauerbratenähnlich), die Mutter Lamm (etwas hart). Preislich liegen wir vergleichbar wie im „O Gios“, aber der Service ist weniger geschäftig, was wir als angenehm empfingen. Täglich ist weniger los hier, die Engländer reisen ab, wie uns scheint. Telefonieren wollten wir auch noch, aber unsere Telefonkarte ist weg, haben wir wohl versehentlich auf Korfu entsorgt.

 

Nach dem Essen tut uns ein Elleniko gut, wir nehmen ihn in der Four-Seasons-Bar ein, die gleichzeitig auch als Internetcafe fungiert und Zimmer vermietet. Internet? Gut zu wissen, vielleicht will ich mal online gehen. Das Café ist gut belegt, und endlich mal von den Einheimischen, und nicht von Briten! Scheint uns die einzige Rückzugsmöglichkeit zu sein.

 

*

 

Das gute Wetter bleibt uns auch am Dienstag treu. Nach dem guten Brot aus der Bäckerei (es gibt auch leckere Pasteten und Kolourakia) kaufen wir im Mini-Markt zunächst etwas zur Mückenabwehr.

Am Nachmittag wollen wir zum Strand. Nicht zum ortsnahen Levrehio-Strand, der ist uns zu klein und zu voll. Michael-Müller-Korfu empfiehlt eine etwa dreiviertelstündige Wanderung zum schönen Kipiadi-Strand, südöstlich von Loggos. Am Anfang muss man leider auf der Straße gehen, aber der Verkehr hält sich in Grenzen, und es sind auch nur sieben- oder achthundert Meter, leicht bergauf, aber weitgehend im Schatten der Bäume. Manchmal ist der Boden derart mit Unterholz und Beerenhecken bedeckt, dass man die Angst der Einheimischen vor einem Brand verstehen kann – man käme kaum hin zum Löschen, und die trockenen Wälder würden brennen wie Zunder. Schreckliche Vorstellung! Gebaut wird überall, auch direkt an der Straße, ein Haus so nahe, dass man denken könnte, es solle eine Bushaltestelle werden!

 

Bei dem Weiler Koutsi (mit einer Olivenölpresse) und der Kirche Agia Kiriaki biegt die Straße nach rechts ab, wir gehen geradeaus. Sogar ein Wegweiser zeigt uns die Richtung, wie nett. Mehrere Wege kreuzen, aber die Beschreibung und die Landkarte helfen weiter, und so stehen wir nach weiteren zwanzig Minuten oberhalb einer nett gelegenen, aber schon unbewohnt erscheinenden Ferienhausanlage, an der vorbei es hinunter zum Kipiadi-Strand geht, einem zweihundert Meter breiten Kieselstrand mit traumhaft türkis-durchsichtigem Wasser. Rechts hat es einige flache Steinplatten, optimal zum Liegen, aber leider schon belegt von zwölf, fünfzehn anderen Badegästen. Macht nichts, wir breiten uns auf den Kieseln aus, da ist reichlich Platz. Und dann rein ist Wasser – die Badeschuhe sind hier wirklich nützlich, Kiesel sind nicht wirklich bequem beim Einstieg. Das Wasser hat wundervolle 24°C, es ist so klar und weich, sogar die Mutter lässt sich zu einem Bad überreden, und beide wollen wir am liebsten gar nicht mehr raus. Ein, zwei Segelboote liegen draußen, und ein Motorboot, mit dem wohl Badegäste gekommen sind. Mhhh, ist schon nicht schlecht hier per Boot, wir sollten doch eines mieten, bloß die Begleiterin will ja nicht – schade!

 

Draußen schippert eine große Fähre vorbei, nach Patras. Und der Flying Dolphin kommt, erst die "Ilida", dann die "Santa III". Schnell verschwinden sie vor der Panagia-Insel, die man von hier aus sehen kann, im "Fjordeingang", am Hafen von Paxos.

Der duftende Jasmin auf dem Rückweg, die Alpenveilchen, die verwunschen wirkenden Olivenhaine, ummauerten Baumstämme, die Mistkratzer, die schon herbstrot gefärbte Hecke – ich kann den Reiz dieser Insel verstehen! Auch wenn es so ganz anders ist als die Kykladen, europäischer irgendwie, weicher, zivilisierter. Vielleicht fast zu gepflegt? Obwohl im Straßengraben auch hier reichlich Müll liegt? Noch ein Blick hinunter auf den nun abendlich leeren Levrecchio-Strand – er liegt schon fast ganz im Schatten.

 

Ich will noch zum Windmühlenstumpf auf der anderen Seite hinüber, an der Olivenöl-und-Seife-Fabrik vorbei. Ob der hohe Schornstein ein heftigeres Erdbeben überlebt?

Von der Mühle aus, und auf dem Weg dorthin ist der Blick auf Loggos und entlang der Ostküste nach Norden besonders schön!

Am Abend kommt ein wenig Wind auf, bei „O Gios“ müssen wir drinnen sitzen, draußen zieht es zu sehr. Das Essen ist gewohnt lecker, Käsebällchen, Keftedes und Jemista, *schleck*!

Und wenn der Wind die Mücken wegbläst?

Dann gibt es eine ruhige Nacht. :-)

 

Morgen fahren wir nach Antipaxos!

Wenn Poseidon mitmacht...