Diafani

Schön ist die Fahrt entlang der Küste, auch wenn diese schon im Schatten liegt und wir dadurch keine Details mehr ausmachen können. Aber den Kali Limni, Spoa, und später Diafani sind zu sehen.

Die Fähre passiert Diafani weit draußen und dreht erst ganz spät bei. Da überlege ich schon panisch was wir auf Chalki machen könnten. Schicksal der Reiseleitung.

Entgegen unserer Gewohnheit habe ich schon ein Quartier gebucht. Ich wollte gerne mit Meerblick wohnen. Die Zimmer von „Nikos“ schieden deshalb aus – zu weit hinten. Dito „Balaskas“. Das „Glaros“ ist den Müttern zu weit oben – zu viele Stufen. Das „Maistrali“ hätte gepasst, aber dessen Zimmer über dem „Gorgona“ sind ausgebucht, und das noch freie Appartement für vier Personen liegt laut Auskunft der Vermieterin Anna in einem Extragebäude auch ziemlich oberhalb (wir werden es dann sehen) – sie rät für Damen über 70 ab.

So habe ich schließlich im „Dorana“ angefragt, das ich vom letzten Besuch als optisch mäßig schön und unbewohnt wirkend, aber in Ufernähe in Erinnerung habe. Minás, der Wirt, hat auch schnell geantwortet – zwanzig Euro für das Doppelzimmer mit seitlichem Meerblick, das ist sehr preiswert. Sein Englisch ist interpretationsbedürftig, aber wir verstehen uns letztendlich, und ich zahle fünfzig Euro an. Er wird uns am Hafen abholen.

 

Als wir von der Fähre gehen steht er auch schon da. Außer uns hat auch die Radfahrerin im „Dorana“ gebucht, und ein großgewachsener blonder Deutscher in meinem Alter, der unser Gepäck dank seiner Länge problemlos auf den Dachgepäckträger des Auto von Minas laden kann. Man spricht Deutsch in Diafani, zumindest in der Vorsaison. Theo zieht ins „Glaros“ – sein Stammquartier in Diafani, auch wenn die Buchung kommunikationstechnischen Schwierigkeiten unterworfen war – warum halten die meisten Zimmervermieter auf Karpathos es eigentlich nicht für nötig, Buchungsanfrage per eMail zu beantworten? Zumindest vor Ostern? Und sich nachher womöglich über ausbleibende Touristen beklagen…

 

Wir bekommen zwei Zimmer im obersten Stockwerk. Sie sind ausreichend groß, eher einfach, aber mit allem Notwendigen ausgestattet. Sehr gut: die soliden Moskitonetze in den Fenstern. Eine Kochecke (mit sehr wenig Geschirr) ist vorhanden, die Balkone sind groß, und von dort aus hat man einen Blick hinauf ins Tal, hinüber zur Kirche und zum Ort und auf die Berge, und rechts zum Meer. Gefällt uns! Der Deutsche, Jörg, wohnt eine Etage tiefer und zahlt fürs Einzelzimmer 25 Euro. Immer noch ein guter Preis, aber es lohnt sich offensichtlich wenn man direkt bei Minas bucht, und nicht über eine bekannte Buchungsplattform.

 

Einziges Manko (nebst dem zu weiten Duschvorhang – mit Kreativität und einer Wäscheklammer lässt sich Abhilfe schaffen): die Toilettenspülung funxt nicht, aber das wird Minas in den nächsten Tagen reparieren lassen. Und warum hat der Eimer im Bad eigentlich keinen Deckel? Darf man das Toilettenpapier (einlagig) hier vielleicht doch ins WC werfen?

Minas bietet Frühstück für fünf Euro pro Person an, und weil wir nicht wissen ob wir in Diafani überhaupt Brot bekommen (ja, bekommt man manchmal in Pantopolio), und die Preise hier hoch sind, buchen wir das für den nächsten Tag. Das Frühstück besteht aus Nescafé (inklusive Nachschlag), ausreichend Brot, einem hartgekochten Ei, Marmelade, Honig, Butter, einem süßen Orangensaft und Marmorkuchen. Völlig in Ordnung für fünf Euro, und so bleiben wir dabei, erweitern aus eigenen Vorräten lediglich um Graviera.

 

Außerdem bietet Minas gleich an, uns nach Olymbos zu fahren wenn wir das wollten. Das wollen wir zwar, aber nicht so bald. Mein vordringlichster Wunsch im Norden von Karpathos ist die Wanderung von Avlona nach Tristomo. Mal bei Kapetan Nikos vorsprechen wie es mit der Rückfahrt per Boot aussieht.

Blick vom Balkon
Blick vom Balkon

So schauen wir uns erst mal Diafani an, ob sich viel geändert hat in den letzten sechs Jahren. Hat es nicht. In einer Seitengasse gibt es den kleinen Laden/Pantopolio einer Dame in Tracht, faszinierend ihre Preisgestaltung: für ein Päckchen Papiertaschentücher werden fünfzig Cent fällig (Diafani-Einheitspreis, kostet am Periptero genauso viel), dafür erstehen wir eine eineinhalb Liter Flasche Rakí für acht Euro fünfzig. Selbstgebrannt, verspricht die Verkäuferin (eine Beteuerung, der ich im Norden von Karpathos nicht immer Glauben schenken würde), aber der Klare schmeckt sehr gut und gar nicht fuselmäßig, so dass wir die restlichen Diafani-Tage überlegen werden ob wir nicht noch eine zweite Flasche als Souvenir erstehen sollen. Aber diese großen Plastikflaschen sind so unhandlich.

 

An der Paralia sehen wir den Vollmond über dem Horizont aufgehen. Es ist angenehm windstill hier.

Theo taucht auf, er musste sich sein Wunschzimmer im oberen Teil des „Glaros“ hart erkämpfen – eine Gruppe käme, und sie soll natürlich die besseren Zimmer erhalten…. Theo sieht das (zu recht) anders, und konnte seinen Wirt Jorgos auch überzeugen.

Es werden viele Gruppen hier im Norden unterwegs sein, alles Wandergruppen: eine oder zwei deutsche, eine französische, eine holländische. Dazwischen individualreisende Wanderfreunde. Dass man hier gut wandern kann, und der Mai dafür ein hervorragender Zeitpunkt ist, hat sich herumgesprochen. In Diafani nimmt man die Vorsaisongäste gerne auf und begegnet sogar ihrer Wanderlust mit völlig ungriechischem Verständnis.

Theo empfiehlt das „Korali“ als die einzige Taverne, in der man in Diafani gut essen könnte. Wir werden andere Erfahrungen machen, aber am heutigen Abend möchten wir dorthin, und bestellen ob des Gästeandranges lieber einen Tisch bei Popi, der Frau des Wirtes Michalis. Der ist inzwischen vollbärtig zugewachsen und hat leider nicht die Muse, Lyra zu spielen. Popi scheinen überhaupt alle Frauen in Diafani zu heißen – Abkürzung von Kalliopi. Da muss es vor zwei Generationen mal eine sehr fruchtbare Kalliopi in Diafani gegeben haben…

 

Vorher aber noch zu Nikos Orfanos ins Reisebüro. Nach einer kurzen Wartezeit kommt er. In Tristomo abholen? Mhhh. Passt ihm nicht so. Aber am Freitag macht er eine Ausflugstour nach Saría, und er könnte uns auf dem Rückweg am Stenó abholen. Von Tristomo zum Steno sind es nur etwa zwei Kilometer – kein Problem. So ab 17 Uhr wäre er da. Das klingt gut, wäre noch die Frage zu klären wie wir nach Avlona kommen, oder ob wir ab Diafani los müssen (würde ich gerne vermeiden). Es gäbe den Schulbus in der Frühe, meint Nikos, der könnte an der Straßenkreuzung nach Avlona halten.

Die Bootstour nach Saria kostet inklusive Barbecue inzwischen dreißig Euro pro Person. Und die Mütter wollen dort mitfahren solange Barbara und ich me ta podia unterwegs sind.

Freitag also Tristomo – juhuu!

Das Abendessen im „Korali“ ist ok – Zicklein, Artischockensuppe. Michalis, der Wirt, erkennt uns nicht mehr obwohl er der Tante vor sechs Jahren im Lyrarausch eine Liebeserklärung gemacht hat. Damals, als er noch Lyra gespielt hat und nicht gestresst ein volles Lokal schmeißen musste. Auch Nikos hat uns nicht wiedererkannt – zu viele Leute in sechs Jahren. Dabei hatten wir zusammen Chaniotiko getanzt. Erst als wir ihn an die Bootsfahrt nach Saria mit den sechs gefangenen Thunfischen erinnern, dämmert es ihm. Sagt er. Witzig – sonst wird mal oft „wiedererkannt“ wo man vorher noch nie war.

 

Die Mütter entschwinden, die Töchter sitzen noch mit Theo. Dann kommt Jorgos, der Wirt vom „Glaros“. Als ich ihm erzähle, dass wir in Arkassa auch in einem „Glaros“ gewohnt hätten, reagiert er verschnupft: sein „Glaros“ wäre das einzig richtige auf Karpathos, das andere würde nicht zählen! Na, wenn er meint….

Theo erzählt von unserer geplanten Tristomo-Tour. Das wäre aber langweilig so, mein Jorgos, er hätte einen besseren Vorschlag: mit dem (geländegängigen) Auto so weit es geht bis drei Kilometer vor Tristomo, dann runter zur Bucht, und entlang der Ostküste zurück. Der Ostküstenweg – ja, viel darüber gelesen, aber ich weiß nicht ob ich das will – steil abfallend und ausgesetzt, womöglich loser Untergrund (meine Salina-Ängste). Genußwandern sieht bei mir anders aus, ich bin ja im Urlaub. Jorgos meint, er hätte Bilder vom Weg, und lädt uns am nächsten Nachmittag um fünf Uhr ins „Glaros“ ein. Wir werden kommen. Dann können wir immer noch entscheiden.

 

Dann muss Jorgos uns unbedingt noch nächtens die Ferienwohnung zeigen, die er in einem Haus in der Dorfmitte nahe der Kirche direkt gegenüber vom „Dorana“ gerade ausbaut. Sehr hochwertig ausgestattet, mit schön geschnitztem Soufás. Dass Theo leise mosert, er solle sich lieber mal um seine bestehenden Zimmer kümmern hat Jorgos aber praktischerweise überhört. (Theos Balkontüre klemmt, was von Jorgos mit dem Verweis, er solle sie nicht mehr öffnen bzw. schließen, gekontert wurde. Halt, Korrektur von Theo: "das Terrassentür-Schloß war eingerostet, zuerst kriegte man die Tür nicht auf, nach Jorgos Gewalt-Reparatur ging sie nicht mehr zu. Schlimmer war, daß der Schwimmer im Klo abgebrochen war (=24 Std. kein Wasser). Bei Bedarf mußte man rauf zur Rezeption...."),

Und wir sind natürlich angemessen beeindruckt von der Baustelle bevor wir müde ins Bett gehen.

 

*

 

Am Donnerstag lassen wir es ruhig angehen. Die Fähre kommt früh auf dem Rückweg via Kreta nach Piräus vorbei. Sonst kein Schiffsverkehr heute, kein Ausflugsschiff von Pigadia. Man bleibt unter sich.

 

Nach dem Frühstück bringt Minas Eva, die auch bei uns wohnt, mit dem Auto irgendwohin. Natürlich ist er auch gerne bereit, uns morgen nach Avlona zu fahren. Na, da ist das Problem doch gleich gelöst. Er und seine Frau sind sehr zurückhaltend, sprechen wenig Englisch. Zumindest verstehe ich sein Englisch kaum, so wenig wie er mein Griechisch.

Von Mai bis Oktober ist das „Dorana“ geöffnet. Eigentlich wohnen die Wirtsleute in Pigadia, haben zwei erwachsen werdende Töchter. Minas bietet uns auch an, uns zur Abreise zum Flughafen zu fahren, für 70 Euro. Eigentlich wollten wir mit der Fähre reisen, am Donnerstagmorgen, aber das Auto ist inzwischen ja auch eine Option, jetzt wo die Straße zwischen Olymbos und Spoa durchgehend asphaltiert ist. Wir werden darüber nachdenken (und darüber, unseren geplanten Diafani-Aufenthalt um einen Tag bis Montag zu verlängern), es ist ja noch eine Woche Zeit.

 

Am Mittag gehen die Mutter, die Cousine und ich zum Strand von Vananda. Dazu geht es an der Schule vorbei, die von Vasilis Hatzivasilis (1918 – 2005) mit bunten Reliefs mit Szenen aus der antiken Mythologie gestaltet wurde. Oben in Olymbos gibt es inzwischen ein Museum in seinem ehemaligen Haus, vor sechs Jahren konnten wir vor der Eröffnung einen Blick hineinwerfen.

 

Hinter der Schule müssen wir kurz den Weg suchen, haben das Gebäude auf der falschen Seite passiert und sind in die Irre gegangen. So brauchen wir etwas länger zum Strand, aber entlang der Küste geht es sich sehr schön. Die grünen Frygana-Büschel kontrastieren zum blauen Meer, dann noch die zerzausten Kiefern und die Felsen dazwischen. Karpathos ist sooo schön, und wer es nicht zu Fuß erlebt, der verpasst viel! Auch die Mutter ist froh, wieder auf Schusters Rappen unterwegs sein zu können. Gipfeltouren sind ihres nicht mehr, aber so ein Stündchen in der Ebene ist doch kein Problem. Mit dem Wetter sind wir zufrieden – es hat nicht viel über zwanzig Grad, der leichte Wind macht das Gehen mühelos.

Zu unserer Überraschung sind wir alleine in Vanada. Es hat noch keine Badeurlauber in Karpathos‘ Norden, oder wenn, dann baden die lieber hüllenlos bei Papa Minas. Nein, nicht dem Pfarrer – am gleichnamigen Strand südlich von Diafani.

Die flachen Kiesel klirren leise. Im Wasser ist es steinig und unbequem - da wären Badeschuhe kein Luxus. Die habe ich zuhause gelassen weil ich eh mit keinem Badeurlaub gerechnet hatte. Egal.

Ein Paar Wanderer kommt dann aus dem Inselinneren, vermutlich von Avlona. Sie gehen nicht an den Strand. Rasten nur an der Oase mit der gefassten Quelle, die sich im Blättertunnel hinter dem Strand befindet. Im Sommer soll hier auch eine Taverne geöffnet haben, wir vermissen sie jetzt nicht.

Noch ein Besuch bei der kleinen Kapelle (Kosmas und Damianos?) oberhalb des Strandes bevor es zurückgeht. Überraschend viele Tamata für eine abgelegene kleine Kapelle hängen an der Ikone. Was hängt man denn hin wenn man einen neuen Zweitjob erbitten möchte?

Wir sind rechtzeitig zurück in Diafani um unseren Termin um fünf Uhr im „Glaros“ bei Jorgos wahrnehmen zu können. Zuerst haben wir versucht, über die Treppen neben dem „Dorana“ auf die obere Straße und zum „Glaros“ zu gelangen. Aber der Weg endet bei einem gelben Haus, das ich als die andere, obere Dependance des „Maistrali“ identifiziere. Sehr schön gelegen, und mit Panoramablick. Aber für die Mütter über zahlreiche Stufen wirklich etwas beschwerlich zu erreichen, und erst noch mit Gepäck. Die nette Anna, mit der ich vorher wegen der Studios korrespondiert hatte, habe ich jetzt doch nicht gesehen.

 

Im „Glaros“ treffen wir Jorgos nicht an. Die Rezeption ist verwaist, auch dezentes Rufen bringt nichts. Hat er wohl vergessen, oder steckt sonstwo. Theo ist noch unterwegs, er ist heute Vormittag nach Avlona aufgebrochen und offensichtlich noch nicht wieder da. Tja, dann leisten wir eben den Müttern Gesellschaft, die sich im „Gorgona“ auf Kaffee und Kuchen niedergelassen haben. Ein schöner Platz um zu chillen (was auch die Katzen so sehen), und nebenbei kann ich meine Gorgonen-Sammlung aufstocken.

Nachdem Jorgos uns mangels Anwesenheit wegen des morgigen Wanderweges nicht umstimmen konnte, klären wir mit Nikos Orfanos nochmals die Abholung für morgen ab: ab 17 Uhr am Stenó (zehn Euro pro Person), und buchen die Tour für die Mütter. Schon um neun Uhr ist Abfahrt, da müssen wir zeitiger frühstücken.

 

Wir gehen dann gleich in das Lokal von Nikos‘ Bruder essen, ins „Chrissi Akti“. Die Wirtin heißt – na? - Popi, und ist mit ihrer geschäftig-munteren, fast schon anmachenden Geschwätzigkeit eine rechte Nervensäge. Das Essen ist gut (endlich Makarounes wie sie sein müssen!), auch das Oktapodia-Stifado und die Souzoukakia kommen an (die Pommes aber nicht überall). Dafür ist die Rechnung vergleichsweise hoch: 62 Euro für fünf Personen, und ich bin mir nicht mehr sicher ob sie auch stimmt. Die höchste, die wir auf Karpathos zu verzeichnen haben.

 

Zum Tagesabschluss auf einen Absacker ins "To Korali". Oder "Coral" - je nachdem ob man den griechischen oder englischen Namen bevorzugt. Ein geselliger Ort, wo sich die Diafani-Touristen außerhalb von Gruppen gerne am Abend treffen. Eva, Jörg - Theo hatte sie unterwegs schon beim Wandern getroffen. Man kommt ins Gespräch, tauscht Tipps aus.

 

Jorgos vom "Glaros" taucht auch irgendwann auf (er erscheint da jeden Abend und bekommt von Michali wortlos ein Glas Wein hingestellt) - wir hätten uns da irgendwie verpasst, er wäre da gewesen. Glauben wir ihm mal... Ein leckeres Dessert ist uns raus - Theo kam dafür in den Genuß, von Avlona herabgehechelt haben wir uns am "Glaros" haarscharf verpasst.

Nicht so schlimm und nicht zu ändern. Und von Jorgos' "besserer" Route muss ich jetzt auch nichts mehr wissen.

 

Morgen wandern wir von Avlona nach Tristomo und weiter zum Steno.