Pserimos - the storm wind city

Strahlend blauer Himmel empfängt mich beim vorsichtigen Hinausluken am frühen Sonntagmorgen. Yeah, es hat sich ausgeregnet. Pserimos, ich komme! Nach erneut leckerem Frühstück gehe ich um kurz nach neun Uhr zum Mandraki-Hafen. Mutter und Tante wollen nicht nach Pserimos, sie werden sich einen schönen Tag in Kos-Stadt machen, mit Besuch des archäologischen Museums und ausgiebiger Shopping-Tour. Vorher hab ich der Mutter noch gesagt, sie soll ihr Handy einschalten, damit ich mich melden kann wenn was ist. Ich will auf Pserimos wandern, weiß aber nicht ob das klappt mit dem Ausflugsbootarrangement. Wenn nicht, würde ich halt die Drei-Insel-Tour machen. Deshalb habe ich nicht die Wanderschuhe an, sondern nur meine Sandalen. Ein dummer Fehler!

 

Ich frage zuerst bei dem Typen, der mir vorgestern empfohlen hat, heute rechtzeitig wiederzukommen. Sein Boot, die „Sevimar“ fährt zuerst nach Pserimos, da könnte ich mit. Nun ein anderes suchen, dass Pserimos als letze Etappe der Inseltour im Programm hat. Ich frage mich durch, so viele Boote gehen heute gar nicht – Vorsaison. Schließlich finde ich die „Santa Maria“ – sie wird gegen 15 bis 16 Uhr auf Pserimos sein, und der Kapitän nimmt mich mit. Nein, bezahlen soll ich erst auf der Rückfahrt. Nun ist alles bestens, ich kaufe für zehn Euro ein One-Way-Ticket nach Pserimos für die „Sevimar“ und gehe an Bord. Die „Sevimar“ ist auch so ein prächtiger Holz-Zweimaster, das Sonnendeck ist schon voll belegt, deutsche Töne von überall, und etwas Englisch. Ich finde ein gutes Sitzplätzchen an der Reling. Pünktlich um zehn Uhr geht die Fahrt los.

Schon nach kurzer Zeit bin ich froh, dass ich doch die Windjacke mitgenommen hab. Und ein Halstuch. Es zieht mächtig an Bord, an Land war mir kaum Wind aufgefallen. Auch die Sonnenanbeter auf dem Sonnendeck packen sich etwas mehr ein, trotzen aber hartnäckig, keiner geht unter Deck. Als nach etwa einer Stunde das Südwestkap von Pserimos (Kap Roussa) mit der auf den Felsen gemalten griechischen Flagge und der Kaserne in Sicht kommt, bin ich völlig durchgefroren und sehne mir nur das Ende der Fahrt herbei. Zum Glück muss ich nicht noch nach Kalymnos auf dem Schiff bleiben, da hätte ich keine Freude dran! In so großem Abstand hält der Zweimaster dann zur Küste von Pserimos, dass ich schon Befürchtungen hab, er fährt doch zuerst nach Plati oder Pothia. Nein, das Schiff dreht dann doch in die Bucht von Avlakia, dem Haupt- und Hafenort von Pserimos hinein. Luja! Schiff fahren kann so unerfreulich sein, dabei ist es gar nicht das Geschaukel dieses Mal…

 

Schnell von Bord. Der Ort hinter dem breiten Sandstrand liegt so ruhig da, kaum jemand ist zu sehen. Am Weg vom Anleger bauen einige Leute einen Souvenirstand auf – Muschelkram und Schmuck. Ohne Tagesausflügler läuft hier nix. Und dabei haben die mal gerade eine Stunde Zeit und bestimmt noch keinen Hunger – schließlich kriegen sie nachher ein BBQ oder ein Essen in einer Taverne in Pothia.

Den Ort werde ich mir nachher ansehen, ich hab ja Zeit bis 16 Uhr. Ich will wandern, und zwar die Tour 38 aus Grafs Wanderführer „Rhodos, Karpathos, Kos“. Eineinhalb Stunde reine Gehzeit, recht einfach. Nur ist es doof, dass ich keine Wanderschuhe an hab, hoffentlich ist der Weg halbwegs gangbar! Apropos Wanderschuhe: am Strand sehe ich eine ältere Dame mit Wanderschuhen, die nicht auf dem Schiff war, also hier wohnt. Sie ist Deutsche, unterhält sich gleich mit zwei Mädels vom Ausflugsschiff. Man kann hier bestimmt ausgesprochen ruhige Tage verbringen, in der Vorsaison erst recht.

 

Die Brandung am sehr flachen Sandstrand ist übrigens heftig, in der ersten Reihe der Tavernen holt man sich leicht nasse Füße. Schnell kaufe ich mir noch eine Flasche Wasser, dann ziehe ich los, durch den „Ort“ auf eine Schotterpiste ins Inselinnere.  Die Kirche, die wenigen Häuser und ein ominöses , eingezäuntes, allerdings verlassenen „Scout-Center“ bleiben hinter mir, noch ein oder zwei einfachste Baracken folgen, dann bin ich auf freiem Feld. Der Weg geht sanft bergauf, kein Problem. Dann kommt mir ein kleiner Traktor mit Anhänger entgegen, junge Männer darauf, eher finster guckend. Touristen ist man hier wohl nur am Strand und in den Tavernen gewohnt: kein Gruß, ich fühle mich unbehaglich. Schnell weiter. Vielleicht sollte ich mal schnell die Mutter anrufen und ihr sagen dass ich auf Pserimos bin und jetzt loswandere. Netz ist da, nur sie hat leider ihr Mobiltelefon nicht eingeschaltet. Toll, ich hatte sie extra darum gebeten. Ich hasse es….

 

Bienenstöcke hat es auch („Der Honig von Pserimos gilt als der beste..“ ;-) So wie der von Kimolos, Kythira, Schinoussa, Ios, Kreta, Sikinos, Serifos, Fourni, Lipsi, Donoussa, Karpathos – noch eine Insel vergessen?)

Einen knappen Kilometer geht es auf der Piste bis zu einem Gehöft (oder was davon übrig ist), hier muss ich die Piste verlassen und entlang einiger Bäume links auf den Sattel hinauf. Einige Schaffelle trocknen in der Sonne, eine Gruppe noch lebendiger  Schafe wird von mir aufgescheucht und flüchtete hangaufwärts. Da haben sie Pech – ich verfolge sie. Etwas muss ich suchen bis ich aus den vielen Ziegenwegen den richtigen finde, der mich in etwa zwanzig Minuten oberhalb eines trockenen Bachtales auf den Sattel führt. Die Schafe haben sich unter einen großen Baum geflüchtet, ein großer Hardun verharrt direkt am Weg in der Sonne, der hat keine Angst, denn Menschen ist er offensichtlich nicht gewohnt.

Pserimos besteht aus sanften Hügeln, viele Bäume gibt es nicht, diese sehen dafür recht knorrig aus. Ansonsten bedeckt Macchia den Boden, im Frühjahr noch grün, und mit Thymian. Beim Blick zurück sehe ich in der Ferne das Dikeos-Gebirge auf Kos. Beim Blick nach vorne sehe ich vom Sattel aus unter mir mein erstes Ziel liegen: die Kapelle Panagia Grafiotissa.

Weit ist es nicht, vielleicht ein Kilometer. Bloß kann ich leider keinen Weg erkennen. Der Wanderführer empfiehlt: „auf einem Ziegenweg links oberhalb des Taleinschnittes gelangt man wohlbehalten zur Kapelle Panagia Grafiotissa“. Das sind so die Momente, wo ich den Wanderführer (in meinem Fall nur eine Kopie der Tour) am liebsten in die Botanik werfen würde ob seiner dämlichen Nutzlosigkeit, denn der Ziegenwege sind viele, aber keiner sieht aus als wäre er auch für Menschen gedacht, alle verlieren sich im Zick-Zack, und ich dazu. Wie weit oberhalb soll ich mich halten damit ich „wohlbehalten“ ankomme? Die Skizze ist auch keine Hilfe. Und meine Sandalen schon gar nicht. Ich stehe lange und gucke ob ich was Gangbares finde, ohne Erfolg. Neuer Anrufversuch bei der Mutter, wenn ich mir jetzt hier den Fuß verknackse wäre es gut, jemand wüsste wo ich bin. Ihr Mobilfon ist immer noch aus. Ok, dann einfach los, wird schon. Suchend, erst rechts, dann links, nein, ich muss mehr links. Aua, das waren Dornen am Fuß. Schön kleine Schritte, der Untergrund ist lose. Was gäbe ich für meine Wanderschuhe, ich bin so dämlich!

Da fährt übrigens gerade mein Zweimaster gen Plati, nun sindse alle weg, die Tagesausflügler, ein kurzes Gefühl des Verlassenseins überkommt mich. Andererseits genieße ich das Alleinsein, das Drauflosstapfen, das eigenen Tempo, die Ruhe, das intensive Erleben. Ist in diesem Urlaub ein bisschen kurz gekommen, man kann nicht alles haben.

 

Etwas weiter unten hat es vor nicht allzu langer Zeit gebrannt, verbrannte Buschstümpfe krallen nach meinen Beinen. Dann rutsche ich auf einem losen kleinen Stein aus, falle auf den Allerwertesten, verkratze mir das rechte Bein ordentlich dabei – Souvenir an Pserimos, ich wollte ja intensiv, das hab ich jetzt. Puh, nix passiert.

 

Nach einer halben Stunde bin ich dann unten an der Kapelle. Vielmehr den eineinhalb Kapellen: einer ganzen und einer halben direkt am Uferabbruch, schon halb abgestürzt ins unglaublich türkisgrüne Meer.

Wow, was ein Platz! Die ganze Tour hab ich mich auf ein Bad hier gefreut, aber nun ist die Brandung so stark dass ich da doch nicht rein will. Aber es ist völlig egal, denn der Platz ist einfach gigantisch! Diese Farben, dieses Meer! Die Felsenberge von Kalymnos gar nicht so weit weg, das flache Inselchen Plati davor. Bin fast etwas benommen, die Sonne, der Wind, die brüllende Brandung.

Eine Rast im Hof der Kapelle, ich suche und finde den Schlüssel, gehe hinein, ruhig und kühl hier. Ich zünde eine Kerze an. Schön, hier sein zu können. Schön, dass der Urlaub so harmonisch verlaufen ist. Alles hat prima geklappt, vorherige Bedenken waren vollkommen unnötig. Da darf ein Danke schon mal sein.

 

Wieder draußen sehe ich mir die halbe Kapelle nochmals genauer an. Wer hat nur das alte Tor hier so dekorativ dagegen gelehnt? Die verblasste griechische Fahne hingemalt? In einer Senke liegen weitere Dekoteile, wann ist die Kapelle denn abgestürzt? Wann wurde die neue gebaut? Und was heißt überhaupt „Grafiotissa“?

Ich gehe die Küste entlang nach Süden, vielleicht ist hier doch eine Bademöglichkeit? Doch, schon, ein Kiesstrand, im Wasser aber Felsen und immer noch zu heftige Wellen, bin schon genug gebeutelt für heute. So mache ich mich auf den Weg zum Hafen, nun auf einem guten Weg die Küste entlang, dann über einen flachen Sattel etwas weiter weg vom Meer. Schrecke wieder Tiere auf, Ziegen dieses Mal. Komme nach einer Dreiviertelstunde auf einen Hügel oberhalb des Anlegers – da geht es nicht weiter, wieder etwas zurück, und links hinab, an einem Ziegen- und Hühnerstall vorbei, dann durch eine vermülltes Tälchen, komme am Westende des Strandes heraus.

Der Ort liegt ganz ruhig da, ein paar Leute sitzen in den Tavernen, eine griechische Familie vom einem Segelboot spielt Strandtennis.

 

Nun endlich ein Bad! Schwierig, es geht sehr flach hinein, andererseits die Wellen. Schwimmen ist nicht, aber die Abkühlung ist ausreichend. Dann in der Sonne trocknen und genießen, ich hab noch fast zwei Stunden Zeit, wie schön. Schlendere dann noch zur Panagia-Kirche, und zu südlichen Anleger und dem Haus mit den aufgemalten Fenster. Werde doppelt willkommen geheißen, auf der „storm wind city“. City – na ja, der Rest stimmt schon.

Pserimos gefällt mir sehr gut, besser als Marathi. Es schreit nach einer Wiederkehr.

Nun meldet sich der Hunger, nur in welche der Tavernen gehen? In der westlichsten sitzt die deutsche Wanderin, ich nehme das als Empfehlung und setze mich an den Nachbartisch. Der Wirt kommt gleich, ich frag ihn was er hat. Dolmadakia – und die Wanderin sagt, die wären sehr zu empfehlen. Ein Cola dazu, bestens. Dann kommt ein Teller, gehäuft voll mit kleinen Dolmadakia, frisch zubereitet, warm, mit Eier-Zitronensauce. Köstlich! Mit den kalten Fröschen, die einem in mitteleuropäischen Lokalen als Dolmadakia oft aus der Dose serviert werden, haben sie nichts gemein – zum Glück! Ich mampfe mich durch den Teller, nun im Gespräch mit der Wanderin. Sie ist seit einigen Tagen da, muss heute nach Kalymnos, dann nach Kos, auch ihr Flug geht morgen. Sie will allerdings um 17 Uhr die offizielle Fähre nehmen, das kleine Landungsboot, das vorne am Kai liegt, dann von Pothia mit dem nächsten Boot nach Mastichari. Auch eine Möglichkeit.

 

Apropos Boot, wo bleibt eigentlich mein Segler? Es ist schon 15 Uhr vorbei, so allmählich sollte er eintrudeln. Da biegen zwei Zweimaster von rechts kommend um die Ecke, sie sehen einfach prächtig aus! Gleich zwei – nun, einer genügt mir. Den Namen kann ich gar nicht ausmachen. Sie kämpfen sich durch die recht heftigen Wellen in den Schutz der Hafenmauer. Da kommt noch ein drittes Boot, während das erste versucht anzulegen. Ein Versuch, ein zweiter. Rückzug, das andere Boot ist im Gehege. Das erste Boot dreht ab. Es dreht ab? Heh, was soll das denn? Das zweite Boot dreht nach nur einem halbherzigen Versuch ebenfalls ab. Sie entfernen sich. Ich bin sprachlos, damit hab ich nicht gerechnet. Ja super! Nun heißt es Daumen halten für das dritte Boot. Dessen Kapitän ist hartnäckig, er lässt sich nicht unterkriegen. Vor und zurück, bitte, bitte, nochmals – ja, er hat es!! Er schafft es anzulegen, vielmehr: den Anker so auszuwerfen im flachen Hafenbecken, dass er einerseits nicht auf die Hafenmauer auffährt, andererseits nicht auf Grund aufsitzt. Der Steg wird ausgeklappt, die Leute kommen von Bord. Puh, meine Rückfahrt nach Kos ist gesichert.

 

Ich sage zu dem Wirt, dass das wohl nicht mein Boot wäre mit dem ich zurückfahren wollte, aber ob es mich auch mitnehmen würde? Mit Sicherheit, allerdings ginge das Schiff nach Mastichari. Nach Mastichari? Ja, das fehlt noch…. Alla, ti na kanume, Hauptsache, die richtige Insel. Mal sehen wie ich von Mastichari nach Kos-Stadt komme, eventuell gibt es einen Bus. Angesichts des Windes und der Wellen schlucke ich vorsorglich eine Tablette gegen Reiseübelkeit. Versuche nochmals, die Mutter zu erreichen und zu sagen dass ich später komme – immer noch nicht erreichbar. Dann rufe ich wenigstens Alexis im Hotel an, er soll es ihr ausrichten. Er verspricht es.

Ich bezahle 9 Euro für Dolmadakia und Cola und gehe vor zu dem Schiff. Der Ausfall von zwei Ausflugsschiffen ist für Pserimos auch nicht lustig, das Einkommen ist von den Tagesausflüglern abhängig, bestimmt bleiben Berge von Dolmadakia übrig heute. Oder haben die Pserimioten schon gar nicht mit so vielen Gästen heute gerechnet und meine Portion war deshalb so üppig?

 

Der Kapitän der „Mikros Kosmos II“ hat mächtig Mühe, das Schiff zu halten und zu vertäuen. Beinahe rauschte er auf die Hafenmauer. Großes Geschrei. Aber er nimmt mich gerne mit, in einer Stunde würde er abfahren. An der Kaimauer haben zwei Souvenirverkäufer wieder ihre Stände aufgebaut, und ein alter Mann verkauft Kräuter. Ob er sie selbst hier gesammelt hätte, frag ich ihn, und er bejaht. Ich glaube ihm und kaufe ein Tütchen Oregano (auch der Oregano von Pserimos ist der beste…;-) ). Auf der Hafenmauer liegend nehme ich ein Sonnenbad, gehe dann nochmal zurück zu der Wanderin. Sie überlegt nun ob sie auch mit diesem Schiff nach Mastichari fahren soll und holt schnell ihren Koffer. Klar kann sie auch noch mit.

 

Dann wird es Zeit zur Abfahrt. Die deutsche Reiseleiterin der Gruppe kommandiert alle an Bord Gehenden, ganz vor an den Bug der „Mikros Kosmos“ zu gehen. Das Schiff würde nämlich sonst hinten aufsitzen in flachen Sand, und das wäre schlecht. Bis alle kapiert haben um was es geht, dauert es…. Irgendwann legt der Zweimaster aber ab, kommt auch frei, und wir dürfen unsere Plätze einnehmen. Ich bin ganz oben auf der Brücke, im Freien, und finde es wunderbar.

Pserimos wird hinten schnell kleiner. Ich will wiederkommen.

 

Der Wind pustet einen ordentlich durch, die Stimmung ist bestens. Um mich herum lauter Jungsenioren rheinischer und eiflerischer Herkunft, Frohnaturen, da bleibt kein Auge trocken.

Genau jetzt klingelt mein Handy  - die Mutter hat gemerkt dass ich versucht hab, sie zu erreichen nachdem ihr eingefallen ist dass sie ja das Handy einschalten soll. Gnadenlos bin ich dadurch als Schwäbin geoutet ;-) Die sind auf Kos rarer wie mir scheint. Klar, die Flüge ab Stuttgart sind nicht billig…

 

Der Steuermann kurbelt wie wild am Steuerrad, bin schon fast versucht, es für eine Attrappe zu halten. Aber die Wellen sind ordentlich, er muss das Meer lesen. Ich glaube, das ist gar nicht so einfach. Nach fünf Viertelstunden Wellenreiten erreichen wir in Mastichari. Wie wir noch ein Stück weg sind, sehe ich einen Bus davonfahren. Bestimmt der letzte für heute :-( Die Mitreisenden müssen sich darum keinen Gedanken machen, die haben die Drei-Inseln-Tour komplett vom Hotel gebucht und werden dorthin auch wieder zurückgebracht. So geht es natürlich auch.

Da fällt mir ein – ich hab noch nicht bezahlt. Ich gehe nach unten und frage die Reiseleiterin wo ich zahlen soll. Taktisch kluger Moment – die Besatzung ist nämlich schwer beschäftigt mit dem – für mich unerwartet - diffizilen Anlegermanöver. So winkt der eine Mann nur ab: vergiss es… Prima, zehn Euro gespart, die kann (muss) ich gleich ins Taxi investieren. Der Zweimaster legt an der äußersten Ecke der Kaimauer an, die schmale Brücke wird herabgelassen, schwankt samt Schiff ordentlich hin und her. Wir sollen sehr schnell von Bord gehen, sie können das Schiff wohl nicht lange halten. Warum legt es nicht irgendwo längsseits an, bleibt es nicht hier? Anscheinend nicht…

Es riecht, nein: stinkt wieder nach Abwasser hier. Ich frag dann gleich die Reiseleiterin ob hier irgendwo die Abwässer ungeklärt ins Meer geleitet werden. Nein, das wären die an den Stränden angeschwemmten Algen, nein falsch, Korrektur: Seegras, das vor sich hingammelt. Ob ich das glauben soll? (Ja, ich glaube es jetzt, nach einer netten eMail von der damaligen Reiseleiterin - witzig, die Welt ist klein...)

 

Vorsicht auf die Füße, upps, noch ein Sprung, dann bin ich an Land. Gerade kommt auch eine Fähre von Kalymnos, dieses Mal nicht der Landungsbootverschnitt, sondern ein reines Passagierschiff, die „Kalymnos Star“ der ANEK (nicht ANEM). Sieht flott aus!

Strebe schnell der Bushaltestelle entgegen, vielleicht fährt ja doch noch ein Bus? Der Busfahrplan sagt nein, sonntags (abends) nie. Also doch Taxi, da gegenüber stehen welche. Was es nach Kos-Stadt kostet, frag ich den ersten Fahrer. Er muss in einer Tabelle nachsehen, neue Preise? „28 Euro“ kommt schließlich als Antwort... Was bleibt mir übrig? Ich steige ein.

Nein, ich hab es nicht eilig. Ich hab auch keinen Ton davon gesagt. Der junge Taxifahrer fährt dennoch wie Schumi. Vielleicht hätte ich ihm ein Trinkgeld fürs langsames Fahren in Aussicht stellen sollen. Zu spät - in zwanzig Minuten sind wir in Kos-Stadt vor dem Hotel. Vorsicht beim Aussteigen, warum hält er denn am linken Straßenrand?

Die Mütter sind ausgeflogen, und ich muss mich erst mal in einen zivilisierten Zustand bringen: total windzerzaust und leicht sonnenverbrannt guck ich mir im Spiegel entgegen. Pserimos – das Beste zum Schluss!

 

Irgendwann klingt dann das Handy - die Mütter sind im Johanniterkastell, ich soll auch kommen, es wäre schön hier. Geöffnet ist bis 20 Uhr. Schnell los. Der Eingang zum Kastell ist verwirrenderweise auf der anderen Straßenseite, bei der Hippokrates-Platane, und überquert die Palmenallee auf einer schmalen Steinbrücke. Ich darf noch rein, wir sollen aber unbedingt gucken dass wir rechtzeitig draußen sind! Die Aufseherin hat ein Trauma, denn im weitläufigen Gelände hat sich neulich ein Besucher verlaufen, er kam nicht mehr raus aus einem der Gebäude, alles schon zu. Ist nix passiert, per Handy hat er Hilfe geholt, dennoch….

Überall liegen Steinartefakte herum, aus hellenistischer und römischer Zeit, die Gebäude sind aus dem Mittelalter, zum Teil aber eingefallen und bewachsen. Eine schöne Atmosphäre am frühen Abend.

Vom Nordturm kann man direkt auf den Hafen hinunter gucken, wo sich zahlreiche LKW eingefunden haben, denn die „Blue Star 2“ kommt gerade. Ich sehe das nette, wimpel- und kreuzgeschmückte Dreirad wieder, wieder zu weit weg zum Fotografieren! Zwei verhüllte Frauen stehen dabei, Nonnen? Ein Missionsfahrzeug? Wer es sieht – bitte fotografieren, ich brauch unbedingt ein Bild von dem Teil für meine Sammlung!

Kurz vor 20 Uhr werden wir von der Aufseherin dann rausgescheucht. Das Ritual mit dem Ouzo an der Platia Elefterias behalten wir bei, danach essen wir in einer Pizzeria an der Strandpromenade. Nach zwei Wochen Urlaub muss es nicht mehr unbedingt griechisches Essen sein, die Begleiterinnen verlangen nach Pasta.

So geht der letzte Urlaubstag zu Ende.

Am Montag treffen wir beim Frühstück nochmals Klaus Bötig, tauschen neueste Erfahrungen aus. Er checkt mit seinem Notebook schnell unsere Rückflüge – die Aschewolke soll wieder ihr Unwesen getrieben haben. Bei Alexis bezahlen wir die Zimmer, etwas negativ fällt auf, dass der Preis für ein Einzelzimmer wohl nur 5 Euro unter dem für das Doppelzimmer liegt – teuer für die Tante.

Alexis ruft uns auch ein Taxi, das uns in gemütlichem Tempo zum Flughafen bringt. 30 Euro bezahlen wir. Die Schlangen vom Check-In stehen schon bis zu den Türen, und wir stellen uns natürlich an der falschen an. Das Ehepaar vor uns braucht gefühlt eine halbe Stunde bis es eingecheckt hat, dann vergiss er noch die Pässe. Viel Zeit bleibt nicht mehr zum Einkaufen am Travel-Value, aber das Angebot ist sowieso mäßig, die Preise hoch. Da wir in München zwischenlanden müssen, lassen wir die flüssigen Einkäufe lieber in Tüten einschweißen.

 

Das Flugzeug startet nach Norden, deshalb leider kein Blick mehr auf Nisyros. Aber auf Mastichari,  Pserimos und später Agathonisi und Samos, Limnos und Thassos. Dann kommen die Wolken.

Vor München werden wir mächtig durchgerüttelt. Während des einstündigen Aufenthaltes dort können wir den Flieger verlassen und uns im Wartebereich aufhalten. Neue Mitreisende steigen ein, sie haben ihren Urlaub noch vor sich. Die kurze Strecke nach Stuttgart fliegt das Flugzeug niedrig, Turbulenzen ohne Ende. Mir ist übel als wir endlich wieder landen. Die Lufttemperatur beträgt 9°C und der Himmel ist bedeckt – der Mai 2010 ist in Mitteleuropa einer der kältesten seit Jahrzehnten. Dem sind wir für gut zwei Wochen ins wunderschöne Griechenland entkommen.

Ich hab schon wieder Fernweh!

 

 

erlebt im Mai 2010