Sonnenuntergänge auf Santorin


In Ordnung, ich gebe zu, auch uns hat es erwischt. Ich bin zwar nicht besonders romantisch veranlagt, aber im Urlaub in GR muss ich mir den einen oder anderen Sonnenuntergang schon auch reinziehen. Dazu sucht man sich ein einsames Plätzchen auf einer Anhöhe mit Blick nach Westen, nimmt ein Fläschchen Ouzo mit und ist rechtzeitig da. Am bequemsten ist das Ganze natürlich vom Hotelbalkon oder –dach. Das erwies sich bei unserem Aufenthalt auf Santorin dieses Mal als schwierig, wir hatten nämlich in Karterádos Quartier bezogen in der "Villa Manos" – schöner Blick auf die Ostküste, Anafi und den grossen Profitis Elias, aber eben nach Osten. Wir hatten auch einen  herrlichen Sonnenaufgang (eine Alternative, nur nicht so gut zu vermarkten!) und einen Vollmondaufgang vom Feinsten, aber eben nix mit Sonnenuntergang.

 

Vor 10 Jahren hatten wir 14 Tage Urlaub in Oia gemacht und wollen dort mal wieder hin, warum also nicht zum legendären Sonnenuntergang? Also um 17 Uhr in Fira in den Bus nach Oia, der war schon gut gefüllt. 90 Cent pro Person, das war ja recht günstig. In Oia angekommen strömten die Massen (herangekarrt in mehreren Ausflugsbussen) bereits zum westlichen Ortende – dabei war es noch weit über eine Stunde bis zum Sonnenuntergang. Aber es heißt zeitig dran sein – die meisten Sitzplätze, vor allem am Lonzta-Kastell, waren bereits belegt, nur in den teuren Cafés war noch Platz.


Nun, wir wollten nicht eine Stunde in die Sonne starren, das ist ja ungesund, und bummelten zunächst durch die geschäftigen Gassen. Im Abendlicht jagt ein Fotomotiv das andere, es lässt sich kaum vermeiden, dass man immer wieder andere Menschen (und die obligatorischen Stromleitungen) im Bild hat – ob die Postkartenfotografen den ganzen Ort für ihre Aufnahmen abgesperrt haben? Oder haben sie die Menschen hinterher wegretuschiert?
Später zurück zum Sonnenuntergang waren dort inzwischen auch viele Stehplätze belegt (im Oktober!). Absperrungen und Verbotsschilder hatten nicht verhindern können, dass die Leute auch die privaten Dächer und Terrassen erobert hatten und wie die Hühner auf der Stange des Eventes harrten. Aus den Lautsprecherboxen eines Cafés schallte laute Musik. Das war uns nun deutlich zu heftig, hatten wir mit einem romantischen Sonnenuntergang doch eine gewisse Ruhe und Abgeschiedenheit verbunden. So stiegen wir gemächlich hinunter Richtung Ammoudi-Hafen und fanden uns auf halber Höhe fast alleine.


Der folgende Sonnenuntergang war dann wirklich überwältigend und wurde vom Publikum oben in Oia mit Applaus bedacht – fast wäre die Sonne wieder aufgetaucht und hätte sich verbeugt!
Wir genossen das Abendessen unten am Ammoudi-Hafen in stimmungsvollem Licht.

 

Als wir später wieder hinauf nach Oia kamen hatten sich die Leute längst auf den Heimweg begeben, der Ort war fast ausgestorben und die Souvenirläden schlossen – für heute keine Geschäft mehr zu machen.

Eine Alternative in Punkto Sonnenuntergang zum überlaufenen Oia ist Pirgos. Dafür gibt es dort verkehrstechnische Tücken in der Nachsaison: Wir benötigten 2 Anläufe, um abends dort hinzukommen: bei ersten Versuch ließ uns der Bus nach Perissa, der über Pirgos fährt, trotz Winkzeichen einfach in Karterádos stehen! In der Nachsaison ist der Fahrplan deutlich ausgedünnt, die Busses fahren nur noch jede Stunde. Also ein neuer Versuch am nächsten Tag, zur Sicherheit eine Stunde früher, klappte bestens. Spaziergang durch die ruhigen Gassen hinauf ins Kastro. Vor dem Tor preist ein alter Grieche seinen Wein sowie sich und seinen Esel als Fotomotive an, da hatten wir schon ein paar Tage vorher erlebt, wie eine japanische Touristengruppe sich ablichten lies: auf, neben, vor, hinter dem Esel, sehr spaßig zu beobachten.

 

Im Kastro-Kafenion ein griechischer Kaffee. Lediglich eine Handvoll Leute hatte sich eingefunden, gut verteilt im Café und auf den Kastro-Ruinen. Die Bedienung streitet mit zwei Franzosen darüber, ob die Getränke, die sie sich unten geholt haben, schon bezahlt sind.


Ein herrlicher Blick über die ins Abendlicht getauchte Insel! Der Sonnenuntergang in glühend rot und mit einem erstaunlich langen Nachleuchten in Violett und Blau – eine traumhafte Inselbeleuchtung. Wir konnten uns kaum losreisen, bummelten noch weiter herum, vorbei an dem Luxushotel „Zannos Melathron“, das jetzt im stimmungsvollen Licht sehr edel aussah (das wäre was für die Zeit nach einem Lottogewinn).
Zum Abendessen waren wir im „Kallisti“ am Buswendeplatz – sehr gutes Essen, nette Kellner, schnurrende Katzen in allen Größen. Sehr zu empfehlen die Tomatenkeftedes (gibt es dort auch Pittes auf die Faust) und die Rouladenscheiben.

 

Nun wollten wir mit dem Bus zurück. Laut Fahrplan fährte er jede Stunde um halb in Perissa ab Richtung Fira – und über Pirgos. Aber der Bus kommt nicht. Wir warten neben der von telefonierenden Albanern dauerbesetzten Telefonzelle, kein Bus. Nach einer Dreiviertelstunde kommt der Bus, aber nach Perissa. Wir hätten ihn nehmen und von dort zurück nach Fira fahren sollen, denn auch auf dem Rückweg beehrte er Pirgos nicht wieder mit seinem Besuch. Inzwischen war uns richtig kalt geworden. Im „Kallisti“ meinte der Kellner, der Bus käme jede halbe Stunde. Aber nicht am 12. Oktober, keine Busse mehr abends in der Nachsaison. Netterweise rief er uns ein Taxi (auf die Idee hätten wir auch früher kommen können, aber im Urlaub ist man ja nicht in Eile), mit dem wir schließlich wieder heimgelangten.


War ein schöner Abend!

erlebt im Oktober 2003