Alicudi - basics

Im September 2016 war es mal wieder an der Zeit, Griechenland untreu zu werden. Die Mutter hatte erklärt, nicht wieder griechisch Inselspringen zu wollen (nach diesem Urlaub wird sie es auch nicht mehr italienisch wollen). Alleine hüpfen wollte ich auch noch nicht unbedingt. Was blieb mir da anderes übrig, als die schon länger im Hintergrund stehenden äolischen (oder auch liparischen) Inseln wieder hervorzuzerren. Stromboli war sowieso eine Wiederholung wert, Filicudi mit drei Stunden beim Erstbesuch deutlich zu kurz gekommen, und Alicudi hatten wir 2012 nur von der Ferne gesehen.

 

Alicudi, die westlichste und abgelegenste der "sette perle", sollte auch den Auftakt machen.

Zu Beginn gleich Äolen-Hardcore, und dann peu à peu und mit fortschreitender Nachsaison zurück in die Zivilisation Richtung Stromboli - würde das passen? Wir würden sehen.

 

Ein Vergleich für Kykladenfans: Alicudi ist im Grundriss etwa so groß wie (Pano) Koufonisi, 5,2 Quadratkilometer groß, fast rund und hat somit knapp drei Kilometer im Durchmesser. Aber Alicudi ist mit dem 675 Meter hohen Filo dell’Arpa gut sechs Mal so hoch wie Koufonisi und damit ziemlich kegelförmig (und zwar ein steiler Kegel, an der Spitze leicht gekappt). Dafür hat es auch nur 130 Einwohner, die sich auf mehrere Siedlungen oberhalb des Hafens bis zu einer Höhe von 400 Metern über dem Meer verteilen.

Und wer jetzt glaubt, da käme man dann mit dem Auto oder Moped rauf: Nö.

Auf Alicudi gibt es keine Straßen (von hundert Metern von Hafen zum Heliport angesehen), und keine Autos. Nur Treppen. Richtig viele Treppen. Und wer was transportieren möchte, ordert einen Esel. Oder zwei.

Ich liebe autofreie Inseln - sie sind so entspannt.

Wenn es keine Straßen gibt, gibt es natürlich auch keine Straßenbeleuchtung. Die Taschenlampe ist somit unverzichtbares Ausrüstungsteil wenn man abends das Haus verlassen möchte. Die Sonne geht im September schon gegen 19 Uhr unter.

Und Geländer gibt es auch keine....

Wer also nicht zum Brotholen oder Einkaufen schon ein paar hundert Höhenmeter machen möchte (es gibt keinen Bäcker auf Alicudi, aber das Brot kommt mit der Fähre täglich - wenn sie kommt - aus Lipari und man kann es in einem der beiden Alimentari in Ufernähe kaufen), dem empfiehlt sich ein Übernachtungsquartier in Nähe der Wasserlinie. Dumm nur, dass das Hotel "Ericusa" (Alicudis antiker Name wegen des vielen Heidekrautes) wie sein gleichnamiges Pendant auf der gleichnamigen griechischen Insel schon Mitte September schließt. Blieben noch diverse AirBnB-Unterkünfte in luftiger Höhe, die weniger verlockende "Casa Mulino" am Hafen, und die "Casa Gianni" etwas darüber.

Spätestens beim Anblick der Dachterrassenfotos im Internet wusste ich: das und kein anderes sollte es sein, und wir hatten Glück; das “Eucalipto” war noch frei, zum Preis von 90 Euro pro Nacht zuzüglich Endreinigung. Kein Schnäppchenpreis, aber die Äolen (oder Italien?) sind kein preiswertes Terrain - für Übernachtung und Essen muss man etwa das Doppelte von dem hinlegen, was auf den griechischen Inseln fällig wird. Wobei der Zimmerstandard auch höher ist: auf Alicudi dürfen keine neue Häuser gebaut werden, sondern nur alte Häuser bzw. Ruinen ausgebaut und renoviert: Das Angebot ist deshalb vor allem in Hafennähe knapp und teuer, und der Ausbau geht zusätzlich noch mächtig ins Geld weil der Transport aufwendig ist.

 

Unsere Anreise erfolgte per AirBerlin-Flug nach Neapel und dann von dort über Nacht mit der Siremar-Fähre "Laurana" via Stromboli und Panarea nach Filicudi. Wir gönnten uns die Doppelkabine (der Preisunterschied zwischen Deckpassage und Zweierkabine ist nicht sehr groß, ca. 45 Euro für zwei Personen), vorher gebucht über ok-ferry. Und der am 12. August erlittene Maschinenschaden der "Laurana" wurde auch gerade wieder rechtzeitig repariert, Gott sei Dank. (Das Ersatzschiff "Isola di Stromboli" hat keine Kabinen).

 

Nach zwei Stunden Aufenthalt auf Filicudi ging es dann mit der besagten "Isola di Stromboli" weiter nach Alicudi. Leider konnte/durfte man bei dieser blöden Fähre nicht nach draußen aufs Deck, so dass wir uns Alicudi nicht von der Ferne ansehen konnten - das hat mir echt gefehlt für den vorherigen Eindruck.

 

Von Lucia und Giovanni wurden wir am Hafen abgeholt und mussten unser Gepäck nur über 35 Stufen bis zu unserem Quartier schleppen. 35 Stufen sind nichts auf Alicudi....

Lucia stammt aus der Slowakei, Giovanni eigentlich aus Piemont, aber die beiden haben auf Alicudi die Zutaten für ein glückliches Leben gefunden. Nicht so schwer, wenn man mit einem einfachen Leben zufrieden ist, Ferienwohnungen zu vermieten und gesunde Knie hat.

 

Unser Eucalipto-Apartment fand ich so schön wie erhofft, und sogar deutlich größer als es auf den Fotos aussieht. Es hat einen Sitzplatz vor dem Haus (der Balkon, den man von unten sieht, gehört zur Wohnung von Lucia und Giovanni, unsere lag dahinter. Und die zwei Rundbögen darunter gehören zur unteren Wohnung, die Platz hat für fünf Personen) und eine riesige, teilweise schattige Dachterrasse mit Panoramablick nach Osten.

Das Bad liegt außerhalb, und spätestens bei den Seifenschalen aus großen flachen Lavasteinen hatte ich mich in es verliebt. Dass man das gebrauchte Toilettenpapier nicht in WC werfen darf, und Wasser kostbar ist und nicht verschwendet werden soll, kennen wir aus Griechenland und stellte somit kein Problem dar.

Die gut eingerichtete Küche brauchten wir nur zum Frühstück - im Urlaub gehen wir gerne essen.

Das kann aber in der Nachsaison ein Problem auf Alicudi darstellen....

Am ersten Abend noch nicht, denn da fragte uns Lucia gleich nachmittags, ob wir am Abend mit den Gästen des unteren Apartments, einem jungen Paar aus Mailand, bei einer Frau etwas oberhalb essen wollten, die ein mehrgängiges Menu für uns kochen würde ("table d'hôte" heißt das in Frankreich, und in Italien?). Pro Person würde es 25 Euro kosten. Klar wollten wir.

 

Um 20 Uhr brachte Lucia uns und das nette Mailänder Paar zu unserer Gastgeberin Adriana einige Stufen aufwärts zu einem großen Haus mit äolischer Loggia und mit (lebenden) Geckos an der Wand.

Das Menu begann mit Oliven, Kapern und einer göttlichen Caponatina, von der ich mir am liebsten den Teller großzügig gefüllt hätte. Aber Massimo, der Mailänder (er und seine Freundin sprachen als einzige Englisch) warnte: es käme noch einiges auf unsere Teller, wir sollten uns zurückhalten. Er hatte recht, aber die Caponatina war trotzdem das kulinarische Highlight des Abends. Ihr folgten Pasta mit Tomaten und Auberginen (Gelegenheit, uns daran zu gewöhnen, dass die Pasta in Italien wirklich al dente ist), frittierte Fischklöße mit giftgrünem Bohnengemüse (oder waren es Lupinensamen?). Bei den gebratenen Fischen danach musste wir schon passen, für Wassermelonen war dann wieder etwas Platz, und auch für die frisch-habhafte Fruchttorte Linzer Art. Die Tischkonversation hatte sich da längst auf Italienisch eingependelt, was dazu führt, dass wir ziemlich unbeteiligt bei Tisch saßen und uns völlig dem Essen widmen konnten. Na, besser als angestrengt Konversation zu machen. Wobei mich das eine oder andere Gesprächsthema schon interessiert hätte....

 

Zwei weitere Gäste waren übrigens der aktuelle Notfallarzt der Insel (sechs Ärzte wechseln im vierzehntägigen Rhythmus) und ein Kollege von ihm, der uns völlig ignorierte obwohl er neben mir saß. Und riesige Portionen vertilgte - er reiste am nächsten Tag ab, und vermutlich hat er zuhause niemand, der so gut für ihn kocht.

Ein Espresso bildete den kulinarischen Abschluss des Menus, zu dem Wasser und Weißwein gereicht wurde. Dann kam der bereits vorab angekündigte kulturelle Höhepunkt: der Senior des Hauses (78 Jahre, aber er wirkte älter), Adrianas Vater, sang italienische und sizilianische Canzone. Griechische Lieder hätte ich vermutlich gekannt und auch teilweise verstanden, bei den italienischen war das nicht der Fall. Und weil der Senior sich in Stimmung (und Stimme) sang, blieb es nicht bei den angekündigten zwei, drei Liedern - er fand kein Ende, und alle Gäste waren respektvoll genug um ihn nicht zu unterbrechen. Sogar als er lauthals "Maaaamaaaa" anstimmte (ja, das von Heintje, das mich schon immer in die Flucht geschlagen hat), und obwohl die Begeisterung der Zuhörer inzwischen spürbar geschwunden war. Da kamen wir nicht raus wenn wir höflich sein wollten. Und das wollten wir.

Es war gegen elf Uhr, als wir uns endlich verabschieden konnten - unser Bett rief da schon laut und vernehmlich nach der zweitägigen Anreise. Im Lichte der Taschenlampe treppabwärts (Vorsicht, nicht stürzen!) - jeden Tag so ein Menu würde unsere Wanderfähigkeit komplett ruinieren.

 

Aber das war nicht zu befürchten. Adriana kocht natürlich nicht jeden Tag für Gäste, und da das Hotel und Restaurant "Ericusa" schon geschlossen hatte, gab es abends nur noch eine öffentliche Nahrungsquelle in Ufernähe: die Bar und Ristorante "L'Airone".

Am ersten Tag hatte ich nachmittags gefragt ob abends offen sei, und ich glaube, man hat dann extra für uns um 20 Uhr geöffnet. Wir bestellten gegrillten Schwertfisch und einen in der Brühe gekochten Fisch (scorfano), der sehr gut schmeckte, dazu grünen Salat, Wein und Wasser, und bezahlten vierzig Euro.

Am nächsten Abend orderten wir Pasta mit Schwertfischstücken und Rosinen, süß-sauer und leicht scharf, sehr, sehr gut, die umfangreiche Portion für je zwölf Euro. Das rief nach Wiederholung am nächsten Tag, wo die Pasta etwas weniger raffiniert war. Oder waren wir ihrer schon überdrüssig? Pasta und Fisch - das sind die Ernährungsfundamente auf den Äolen. Mit Kapern.

 

Ausgesprochen gut ist im "L'Airone" (= Reiher) auch die Granita, die für uns am Nachmittag oft eine Mahlzeit darstellte. Die klassische Geschmacksrichtung Kaffee wurde ausprobiert und erwies sich als klar im Nachteil gegenüber der erfrischenden Zitrone. Und Mandel ist schon wieder eine mittlere Kalorienladung....

Dann gibt es noch die Bar "Golden Noir" direkt am Fähranleger, die neben preiswerten Getränken aber nur Cornetti und Brioche anbot. Dort waren wir nur einmal, als wir auf unsere Fähre warteten, aber vor allem die Tagesausflügler (ja, auch das gibt es auf Alicudi, meist im Doppelpack mit Filicudi) landen früher oder später (wenn sie merken, dass hier an Treppen kein Weg vorbei führt) dort.

 

Noch ein paar Worte zum Wetter: es war eigentlich die ganze Zeit recht warm, immer über 20°C, selten über 25°. Manchmal ging das mit einem schwülen Südwindwetter einher. Einen Tag regnete es immer wieder kurz und intensiv, manchmal schien gleichzeitig die Sonne. An diesem Tag fiel auch der Fährverkehr aus - die windempfindlichen Aliscafi (Tragflügelboote) fallen schon bei wenig Wind aus, und da Alicudi wegen seiner geologischen Gegebenheiten (der Bergkegel setzt sich unter Wasser fort) keinen geschützten Hafen hat, kann auch die große Fähre schlecht anlegen. Ehrlich gesagt sind wir aus der Ägäis heftigere Winde gewohnt ohne dass der Schiffsverkehr auch nur annähernd zum Erliegen kommt. Aber dort ist auch sonst so manches anders.

 

Bei unserer Ankunft brauchte die Fähre "Isola di Stromboli" zwei Anläufe bis sie anlegen konnte. Wir (zusammen mit vier weiteren Touristen, einem Muli und dessen Transporteur) warteten im Schiffbauch zwanzig Minuten bis sich die Klappe vor uns endlich öffnete. Nach zwei vergeblichen Anläufen sei die Fähre auch schon unangelegter Dinge wieder nach Filicudi zurückgekehrt, erzählte unsere Gastgeberin Lucia. Zum Glück nicht bei uns....

Wie zu Anfang schon erwähnt, gibt es zwei Mini-Markets auf Alicudi, einer neben dem "L'Airone" und ein zweiter an der "Haupttreppe" ins Inselinnere. Beide machen eine längere Mittagspause und schließen spätestens um 19 Uhr (da ist man von Griechenland definitiv anderes gewohnt). In beiden bekommt man neben den notwendigen Lebensmitteln und Dingen des Alltages auch Brot, das täglich aus Lipari kommt. Fällt wegen "maltempo" der Fährverkehr aus (was gerade auf Alicudi öfters vorkommen kann), wird die Versorgungslage knapp, zumindest was frische Ware betrifft. Vielleicht hat der vorausschauende Ladenbesitzer aber Brot eingefroren.

Einen Geldautomaten oder gar ein Bank gibt es auf Alicudi nicht - Bares ist Wahres, und man sollte ausreichend davon mitbringen - Alicudi ist nicht wirklich preiswert.

 

Wer weiter weg/oberhalb vom Hafen wohnt oder urlaubt, sollte für Gepäck-, Lebensmittel- und Trinkwassertransporte einen Esel engagieren, wenn er nicht sein eigenes Lasttier machen möchte. Und gegen die Stufen von Alicudi sind die von Hydra Peanuts....

Wasser kommt mit dem Wasserschiff von Neapel, der Wasserdruck in den Leitungen reicht aber nur für die unteren Lagen. Oben ist man auf Zisternen angewiesen, dementsprechend ist die Architektur (ich liebe die äolischen Loggien und Terrassen) auf das Auffangen von Regenwasser eingerichtet, und man muss sparsam damit umgehen. Viele Häuser erzeugen Strom mit eigenen Solarzellen.

 

So, und was macht man nun so auf Alicudi?